28. Mai 2023
Weiterreise nach Kanada
Als wir um 10 Uhr unser Auto besteigen kommt Xianfei noch zu uns raus und verabschiedet sich sehr herzlich. Sie legt uns nahe in Richmont (dort liegt der Flughafen von Vancouver) chinesisch Essen zu gehen, denn dort würde es außerhalb von China am besten schmecken. Mal schaun 😊
Die Fahrt nach Seattle dauert nur knapp eine Stunde. Tom setzt mich bei einem Café mit Rösterei ab, das den schönen deutschen Namen „Zeitgeist“ trägt. Dort kann ich mittels WIFI den letzten Blogeintrag für USA einstellen. Immer ein gutes Gefühl mit dem Blogeintrag und auch mit dem Einstellen des Tagebuchabschnitts, einen Reiseabschnitt so richtig abzuschließen.
Um 13.45 Uhr fährt unser Bus, den wir über Amtrak gebucht haben von der Kings Station ab. Genau dort, wo wir vor über zwei Wochen den Zug nach San Francisco bestiegen hatten. Der Bus ist aber leider nicht so komfortabel wie der Zug. Es ist ein kanadischer Bus und auch wenn der Busfahrer sehr witzig ist, so sind die Platzverhältnisse es mitnichten. Die Enge kann schon fast mit einem Ryanair-Flug mithalten. Aber für die paar Stunden… Der Grenzübertritt bedeutet, dass alle Reisenden mitsamt ihrem ganzen Gepäck aussteigen müssen und durch die Passkontrolle mit Zoll zu Fuß gehen müssen. Erst dahinter dürfen wir wieder in den Bus einsteigen. Das ganze Prozedere hat der Busfahrer witzig, aber auch dramatisch beschrieben. So als würde es schon mal vorkommen, dass Passagiere von den Grenzbeamten aufgehalten würden. Letztendlich ist es schnell gegangen und schon fahren wir über kanadische Grenzen mit der Info, dass Kanada Deutschland im Eishockey-WM-Finale besiegt hat.
Wir sind schon um 17 Uhr in Vancouvers Zentrum, denn es gab keine Reisenden, die nach Richmond gefahren werden mussten. Wir nehmen dann zwei weitere Stadtbusse und sind schon um 18 Uhr in unserer neuen Airbnb-Unterkunft. Das Busfahren ist simpel, weil hier das australische System mit dem Tappen der Kreditkarte beim Einstieg angewandt wird. Und man muss nicht mal beim Aussteigen Tappen. Einmal reicht und die Fahrt kostet 2 Euro.
Wir haben in einem Vorort im Norden ein Zimmer gebucht bei einer sehr großzügigen netten Frau in unserem Alter. Es gibt auch einen lieben Hund. Wir dürfen die Küche und den Garten, ja eigentlich das ganze Haus nutzen. Es ist sehr gemütlich und geschmackvoll eingerichtet und wir fühlen uns gleich wie zuhause (fast). In einem Supermarkt holen wir uns leckeres Brot und Käse und eine Olivenauswahl. Eigentlich wollten wir nur schnell Bier und Milch holen und das Essen in einem syrischen Take-Away kaufen. Aber dann hat uns die Auswahl so direkt angelacht. Kulinarisch scheint Kanada auf den ersten Blick um einige Stufen über USA zu liegen. Und was wir während der Busfahrt durch die Stadt gesehen haben, würden wir sagen, dass uns Kanada an Australien erinnert. Sind schon sehr gespannt!
29. Mai 2023
Vancouver (Free Guided Tour)
Dass andere Zimmer, das unser Host vermietet und mit dem wir uns das Bad teilen, sind auch aus Deutschland. Ein Ehepaar in Rente, die ihre Tochter, die z.Zt. in Vancouver lebt, besuchen. Ratschen alle vier recht lang am Morgen. Tut richtig gut, mal wieder auf Deutsch diskutieren zu können.
Dann fahren wir mit dem Bus und dem Sea Bus, der Fähre von Nord-Vancouver zur Innenstadt über den Vancouver Harbour führt. Auch den Sea Bus können wir mittels Tappen mit unserer Kreditkarte bezahlen.
Gehen ein bisschen am Hafen entlang vorbei an zwei Kreuzfahrtschiffen und am Wasserflugzeug-Anleger. Entlang des Weges sind immer wieder Tafeln mit kleinen Geschichten aus der Goldgräberzeit. Dann kaufen wir bei Tim Hortens, der kanadischen Fast-Food-Kette, ein Sandwich, ehe wir zum Start unserer Free Guided Walking Tour gehen.
Die Tour dauert drei Stunden und ist richtig gut. Der Guide, ein Ingenieur, erzählt nette Geschichten, Fakten hat eine gute Stimme und stellt sich sehr gut zur Gruppe hin. Wir erfahren die Geschichte von einem Hochhaus, das die Bauherren höher als erlaubt bauen wollten. Dafür haben sie aber keine Genehmigung bekommen. Aber sie konnten sich gegen eine großzügige Spende ein paar Rechte von der benachbarten Kirche kaufen und so ihre gewünschte Höhe erreichen. Unglücklicherweise bekam das Hochhaus die Hausnummer 666 und fortan stand die Kirche im Ruf sich an den Teufel verkauft zu haben.
All zu hoch ist die Skyline von Vancouver nicht, denn man will hier nicht den Blick auf die Berge verbauen. Eine deutsche Architektin, Cornelia Oberlander, hat außerdem dazu beigetragen, dass die Stadt grüne Oasen bekommen hat. Berühmt ist sie hier für den Neubau des Justizgebäudes mit einer schönen Parkanlage davor.
Früher hatten es die Kanadier wohl nicht so mit den Einwanderern. Anfang des 20 Jahrhunderts hatten sie einem Schiff mit indischen Einwanderern die Einreise verboten, obwohl sie durch die britische Krone dazu berechtigt wurden. Die Weigerung und letztendliche Rücksendung des Schiffes, hat vielen der Inder an Bord ihr Leben gekostet. Heute soll sich die Einwanderungspolitik in Kanada stark geändert haben und sie heißen alle willkommen.
Die Geschichte von Terry Fox ist bewegend. Sie handelt von einem Jungen, der sehr sportbegeistert und auch talentiert war. Allerdings bekam er mit 18 eine Krebsdiagnose im Knie. Leider musste ihm das halbe Bein amputiert werden. Einer seiner Trainer hat ihm ein Buch über Behindertensport gegeben und so hat er den Entschluss gefasst mit seiner Prothese Marathons zu laufen und dabei für die Krebsbehandlung von Kindern Geld zu sammeln. Dazu wollte er Kanada von Ost nach West mit Marathons durchlaufen. Jeden Tag ein Marathonlauf sollte es sein. Das hat er leider nicht geschafft, denn der Krebs kam wieder und leider verstarb er. Aber sein Ziel Geld für die Krebshilfe zu sammeln ist in Erfüllung gegangen und hält immer noch an. Jedes Jahr wird ein Marathon-Spendenlauf in seinem Namen veranstaltet.
Unsere Tour endet bei einer dampfbetriebenen Uhr, die 1977 dort aufgestellt wurde als Touristenattraktion. Tatsächlich hat Vancouver touristisch nicht sehr viel zu bieten, aber es ist eine sehr schöne Stadt zum Rumbummeln!
Fahren dann wieder zu unserem Viertel. Der Bus fährt vom Fähranleger die Lonsdale Avenue bis zu den Bergen hoch und wir steigen auf Höhe der 19ten Straße aus. Dort gehen wir in einem syrischen Supermarkt einkaufen: gutes Obst und Gemüse, nicht in Plastik verpackt und günstig. Holen uns noch Hummus und Brot und setzen uns auf die hübsch Terrasse in unserem Airbnb-Haus.
Leider verbringe ich noch eine Stunde damit, herauszufinden, warum das Roaming mit meiner US-Simkarte nicht funktioniert, wie versprochen. Letztendlich kann ich das Problem mit dem Support lösen… Aber meine Nerven hätte ich lieber geschont. Unser Englisch ist schon gut, aber wenn es über Tischdiskussion und Small Talk herausgeht, werden wir unsicher. Auch so ein Faktor, den es zu bedenken gibt, wenn man ans Auswandern denkt. Eine Fremdsprache so gut zu lernen, dass man auch Behördengänge oder Arztbesuche machen kann, ist schon eine große Herausforderung.
30. Mai 2023
Vancouver: Stanley Park
Heute Vormittag haben wir wieder mal mit beiden Jungs telefoniert. Und dann sind wir mit dem Bus zum Südrand des Stanley Parks. Es handelt sich um einen der größten Stadtpark weltweit und ist Vancouvers ganzer Stolz. In Reiseführern, die die 10 Tops der Stadt auflisten, steht er auf Rang 1. Das sagt mehr über die Stadt als über die Besonderheit des Parks aus. Ich meine damit, dass Vancouver an touristischen Sehenswürdigkeiten und Museen eben nicht so viel aufzuweisen hat.
Dennoch der Park ist wunderschön. Wir haben ihn einmal entlang der Seawall umrundet. Der Park befindet sich auf einer Halbinsel, ist also zum größten Teil von Meerwasser umgeben. Entlang des Weges am Wasser entlang ragt zur Landseite überwiegend eine Felsmauer auf. Der Fußweg ist vom Radweg gut getrennt. Die Blicke über das Wasser sind hübsch und man hat viele Blicke auf die Lion Gate Bridge, die vom gleichen Architekten erbaut wurde und in der gleichen Bauweise, wie die Golden Gate Bridge in San Francisco.
Unterhalb dieser Brücke hatten wir das Glück auf eine Schulklasse zu stoßen, deren Lehrer gerade ein paar nette Geschichten erzählt hat. Ein handelte von einem Mann, der oben auf der Brücke stand und fotografierte, als ein Windstoß ihm seinen Hut vom Kopf fegte. Beim Griff nach seiner Kopfbedeckung ist er über die Brüstung gestürzt und 30 Meter tiefer ins Wasser gefallen. Zum Glück war gerade Flut. Er konnte noch an Land schwimmen und viel dann in einen Schock. Er musste ins Krankenhaus, aber mehr als der Schockzustand ist ihm nicht passiert.
Die zweite Geschichte war richtig witzig. Die fing damit an, dass im Cargohafen die Liegegebühr für die Schiffe 14.000 kanadische Dollar (ca. 9.500 €) beträgt. Einmal wollte der Motor eines der großen Schiffe nicht mehr anspringen. Der Mechaniker, der von Land geholt wurde, besah sich die Sache und bat um einen Hammer. Er schlug einmal kräftig auf eine Stelle und das Schiff lief wieder. Der Kapitän war begeistert. Aber als er die Rechnung bekommen hat dann nicht mehr: 10.000 kanadische Dollar! Natürlich wollte der Kapitän wissen, wie ein Hammerschlag so teuer sein kann. Daraufhin erklärte der Mechaniker, dass der Hammerschlag nur 1 Dollar kosten würde, aber zu wissen, wohin man den Hammer schlagen müsste, kostet 9.999 Dollar!
Der Lehrer hat sich danach bei mir fürs Zuhören bedankt, aber eigentlich hätte ich mich bedanken müssen. Die Schüler waren alle mit Tandems unterwegs. In letzter Zeit habe ich den Eindruck, dass zumindest hier in Nordamerika es einen neuen Trend bezüglich Tandemfahren gibt. Ich bin mal gespannt, wie das in Europa ist!
Das grüne Innere des 400 Hektar großen Parks besteht zu großen Teilen aus einem Regenwald. Aber natürlich gibt es auch ein altes Restaurant mit Veranstaltungssaal von 1911 und Sport- und Spielplätze, ein Schwimmbad und Beaches und vieles mehr. Alles, was eben so an Freizeit- und Erholungsbedürfnisse in einer Großstadt anfällt. Und schließlich stehen auch mehrere Totempfähle an einer Stelle mit vielen Erklärungen. Wie wir verstehen, gibt es die Tradition der Totempfähle nur an der Westküste Kanadas und in Alaska. Die Figuren, die in den Baumstamm geschnitzt werden, sind: der Wal für das Element Wasser, der Bär (oder auch Wolf) für das Element Erde, der Adler für die Luft und der Frosch für das „Zwischen“ Wasser und Erde. Die Pfähle waren nicht nur zur Zierde oder für Zeremonien, sondern haben auch mal stützende Funktionen am Langhaus gehabt.
Von einem Aussichtspunkt aus lernen wir auch die Industriezweige der Stadt kennen: Holzwirtschaft, Bergbau, Landwirtschaft, Containerschifffahrt, Kreuzfahrtschiffe.
Für heute Abend habe ich mir vorgenommen nachzulesen, wie und wann Kanada eigentlich gegründet wurde. Jetzt habe ich aber doch glatt mit Karin aus der Pfalz über eine Stunde in der Küche verratscht 😊
Unser Abendessen hatten wir wieder auf der Terrasse, nur dass wir heute nicht so lange sitzen geblieben sind, denn heute war es bestimmt 5 Grad kälter als die letzten beiden Tage. Aber der Käse und die Oliven, die man hier bekommt, sind spitze! Endlich wieder Essen mit Geschmack.
31. Mai 2023
Vancouver: Robson Square, Granville Island, Robson Street
Also in Vancouver ist ein Lagenlook sehr von Vorteil! Morgens gehen wir mit zwei Jacken aus dem Haus und am Nachmittag sitzen wir im T-Shirt in der Sonne und mit zwei Jacken betreten wir um 17.30 Uhr das Haus wieder.
Dazwischen sind wir heute ein bisschen durcheinandergeraten. Zunächst lief alles nach Plan. Sind wieder mit dem Sea Bus in die Innenstadt, genauer gesagt zum Canada Place (Kreuzfahrtschiff-Hafen) und von dort zu Fuß weiter zum Robson Square, den Platz mit Justizgebäude entworfen von der deutschen Architektin Cornelia Oberlander, wollten wir uns ja noch genauer anschauen. Alles schöne grün mit eleganter integrativer Treppe: in die Treppenstufen wurde eine Rampe für Rollstuhlfahrer sehr pfiffig implementiert. Nachts ist der kleine Stadtpark allerdings gesperrt. Wir vermuten wegen der vielen Drogenabhängigen. Sind heute direkt an welchen vorbeigegangen, die sich auf dem Gehsteig ihre Spritzen hergerichtet haben.
Mitten in dem Park ist ironischerweise das helle, moderne und luftige Gerichtsgebäude. Ein wunderbarer Glasbau mit vielen ruhigen Sitzecken, Toiletten und Wasserauffüllstation. Was man als Reisender eben so braucht 😉
Dann sind wir eine längere Strecke gegangen, auch über eine Brücke über den False Creek (kleiner Sund am südlichen Rand der Innenstadt), um zum Vanier Park zu kommen, in dem sich das Museum of Vancouver. Aber wir haben richtig Pech, denn das Museum hat gerade heute mit einem Rohrbruch zu kämpfen und musste schließen. Also gehen wir rüber nach Granville Island. Auf dieser Halbinsel gehen wir zunächst an einer wunderschönen Wohnanlage vorbei. Die Häuser sind bogenförmig zum Yachthafen hin ausgerichtet und vom öffentlichen Fuß-/Radweg durch einen künstlichen riesigen Seerosenteich abgeschirmt.
Weiter zum Granville Island Public Market. Hier scheinen sich die Kreuzfahrer zu treffen und heute liegen im Hafen gleich 3 Kolosse. Es gibt viele Fressbuden und Souvenirläden etc. Schon schön, aber eben sehr sehr voll. Ich verzieh mich auf ein Kai und schaue den Booten zu während Tom sich ins Getümmel wirft und mit zwei köstlichen Suppen zurückkommt.
Dann wieder zurück in die Innenstadt mit Einkehr in einem leckeren Café, wo wir aus Porzellantassen unseren Kaffee trinken dürfen. Die Kanadier stehen in Sache Wegwerfgeschirr, den Amis nämlich in nichts nach. In der Shoppingstraße, der Robson Street schlendern wir durch die Geschäfte. Jetzt am Ende unserer Reise könnten wir endlich auch was kaufen. Aber jetzt finden wir natürlich nichts. In Australien, in USA, in Japan überall gab es so tolle Latzhosen zu kaufen. Hier und heute keine einzige!
Also zurück in unsere Unterkunft und den Tag mit Wäsche waschen ausklingen lassen. Morgen geht es im Mietwagen auf die allerletzte Etappe.
1. Juni 2023
Fahrt nach Kelowna
Heute habe ich gleich nach dem Aufstehen eine Stunde mit Deneen unserer Vermieterin geratscht. Vor ein paar Tagen hatten wir ja von ihr gehört, dass sie zwei Jahre Französisch in der Schule hatte. Wir dachten dann, dass das ganz schön wenig Fremdsprachenunterricht ist und deshalb habe ich nochmal nachgefragt. Tatsächlich fangen sie in Kanada erst in der 8. Klasse an eine Fremdsprache zu lernen! Und dann habe ich die Gelegenheit ergriffen auch noch wegen den Trinkgeld-Gewohnheiten nachzufragen. Auch hier hat es sich während der Pandemie eingeschlichen, dass die Menschen beim Abholen von Essen Trinkgeld gegeben haben und jetzt ist das einfach geblieben. Im Unterschied zu USA bekommen hier jedoch alle einen Mindestlohn. In einem deutschen Artikel habe ich gelesen, dass sie in den Staaten Angestellten, die Trinkgeld bekommen nur den halben Mindestlohn zahlen müssen.
Nach dem Frühstück ist Tom dann zum Flughafen gefahren und hat unseren „letzten“ Mietwagen geholt. Es ist ein 3er BMW, wir müssen doch schon mal Heimatgefühle üben!
Währenddessen habe ich gepackt und anschließend lange mit den Pfälzern geratscht, denn heute war ihre Tochter zum Frühstück da und wenn fünf Traveller aufeinandertreffen, gibt es immer viel zum Quatschen.
Schade, dass wir das wunderschöne Haus von Deneen verlassen müssen, aber wir sind auch gespannt, wie es auf dem Land ausschaut. Allerdings ist die Straße nach Kelowna, wo wir eine Zwischenübernachtung auf dem langen Weg zum Banff-NP haben, ein breiter Highway. Er führt durch eine wunderschöne Berglandschaft, aber Ortschaften sehen wir fast keine. Unterwegs machen wir einen Stopp in Hope bei einem Tim Hortens.
In Kelowna wohnen wir bei einer fast 80-Jährigen, die sehr aufgeweckt und jugendlich und witzig ist. Das Haus ist klein und alt und bunt eingerichtet. Wir machen uns auf in die Stadt. Hier ist Weingegend und wir machen ein Weintasting. Die junge Frau, die uns die vier verschiedenen Weine kredenz ist sehr gesprächig. Wir erfahren, dass die Kanadier nur 10 Urlaubstage haben. Bei Todesfall o.ä. bekommen sie bis zu 3 Tagen unbezahlten Urlaub. Die Krankheitstage sind auch limitiert. Da geht’s uns in Deutschland doch richtig gut! Außerdem erfahren wir von ihr, dass das Drogenproblem während der Pandemie so schlimm geworden ist. Aber sie meint man ist dabei den Menschen zu helfen. Das ist eine lobenswerte Einstellung, denn Drogensüchtige brauchen Hilfe.
Kelowna liegt am Okanagan Lake und in Sichtweite zum See finden wir ein Bierlokal mit Happy Hour bis 20 Uhr. Es gibt auch eine sehr leckere vegane Pizza, die richtig gut gewürzt ist. Der Weg am See entlang ist hübsch mit streckenweise kleinen Naturreservaten. Der See ist 110/120/135 km (all diese Angaben findet man im Internet…) lang und 3-5 km breit. Der Ort selbst ist sehr großflächig angelegt, sehr jung und gleich am Stadtrand (110.000 EW) ziehen sich Berge und Felswände entlang.
2. Juni 2023
Fahrt nach Golden
Ich gehe heute gleich nach dem Aufstehen eine halbe Stunden joggen. Der Walk am See entlang ist einfach zu verführerisch und sonst sitzen wir heute ja wieder einmal viel im Auto. War eine sehr gute Entscheidung, denn Kelowna noch einmal genießen zu können, war wunderbar. So eine entspannte hübsche Stadt.
Beim köstlichen Kaffee, den uns Cherie zubereitet hat und beim Müsli, das wir uns machen durften, habe ich ein richtig gutes Gespräch mit der munteren 80-jährigen. Sie hat eine interessante und sehr positive Art zu denken. Erzählt mir von einer Untersuchung, die gezeigt haben soll, dass sich bei Heroinsüchtigen, während eines Tripps ähnliche Gehirnströme messen lassen, wie bei Menschen, die schlechte Nachrichten konsumieren oder mit einem gewissen Genuss verbreiten. Sie macht wohl einige Lebensberatungen. An zwei aufeinanderfolgenden Tagen nun hatte ich schon mit meinem ersten Kaffee tiefgründige Unterhaltungen. Ich glaube, das habe ich Morgen-Rede-Muffel noch nie geschafft 😊
Die Fahrt nach Golden, mitten rein in die Rockies, ist traumhaft. Sonnenschein mit ein paar malerischen Wölkchen am blauen Himmel. Eine breite Straße, die durch dichte Wälder führt und immer wieder Blicke auf imposante sehr hohe Berge mit Schnee- oder Gletscherfeldern.
In Revelstoke machen wir Mittagspause. Der Ort liegt schon in den Rockies und hat eine Downtown, die zum Bummeln einlädt. Wir essen ein leckeres Brot und kleine Küchlein in einem Coffee Shop und schlendern ein bisschen durch die Geschäfte.
Um 16 Uhr sind wir am Ziel: Golden. Der Ort liegt in einer anderen Zeitzone als Vancouver oder Kelowna, deshalb haben wir heute eine Stunde verloren. Insgesamt hat dieses große Land 6 Zeitzonen. Seit ewigen Zeiten haben wir mal wieder eine Ferienwohnung ganz für uns allein. Eine gut ausgestattete Küche mit Esstisch und einer großzügigen und geschmackvollen Sofaecke ein großes Schlafzimmer und ein großes Bad. Einziger Haken: die Wohnung ist im Souterrain, aber sie ist dennoch hell, die Fenster liegen nur etwas höher. Der Komfort und die Eigenständigkeit tut uns bestimmt gut.
3. Juni 2023
Golden: Yoho NP
Trotz Zeitumstellung bin ich um 7 Uhr wach und freue mich mir meinen Kaffee machen zu können und in einem bequemen Sessel in Ruhe die Nachrichten zu lesen. Bin eine ganze Stunde allein, denn Tom ist heute die Schlafmütze. Nach einem schnellen Müslifrühstück dränge ich zum Aufbruch, denn es ist Samstag, also Wochenende und wir wollen in einen Nationalpark.
Hier schließt sich ja an jeden Nationalpark der nächste an. Gestern sind wir durch den Mount Revelstoke NP und den Glacier NP gefahren. Da der Highway mitten durch die NPs geht, muss man nur Eintritt zahlen, wenn man dort wandern möchte. Heute fahren wir in den Yoho NP und machen ein paar Walks.
Zuerst geht es zum Lake Emeralde. Ein 5 Kilometer langer einfacher Weg führt um den See herum, der smaragdgrün daliegt. Durch das Gestein, welches mit der Gletscherschmelze immer noch in den See läuft, färbt sich das Wasser in dieser auffälligen Farbe. Das im Wasser gelöste Gestein und die kalten Temperaturen des Seewassers führen dazu, dass es nicht besonders viel Leben im Wasser gibt. Das wird durch die vielen Touristen aber wieder ausgeglichen 😉
Eine Großzahl der Besucher verweilen in der Nähe des Parkplatzes, so dass der Wanderlustige auf alle Fälle im Vorteil ist. Auch wenn auf dem See ein paar Kanufahrer unterwegs sind, so liegt er doch oft ganz ruhig da und bietet eine perfekte Spiegelfläche für die imposanten 3000er, die ihn umgeben.
In der Nähe ist auch ein Wanderweg zu den Hamilton Falls ausgeschrieben. Hier allerdings wurden wir enttäuscht. Der Weg ist nicht nur länger als die angeschriebenen 0,7 km, sondern führt auch ein gutes Stück bergan. Und am Ende steht man ratlos vor einem Bach ohne Wasserfall. Nur wenn man den Weg noch ein Stück weitergeht und ein bisschen rum sucht, findet man eine unsicher Stelle, von wo aus man einen Blick auf so etwas wie einen Wasserfall hat.
Weiter zur Natural Bridge. Der Fluss mit dem Karl-May-Indianisch klingenden Namen Kicking Horse, prallt hier auf eine Felswand und hat sich einen schmalen Durchlass erkämpft ohne die Felswand zu entzweien. Kicking Horse soll seinen Namen von einem der ersten Siedlern haben, der hier ankamen und am Fluss von seinem Pferd ins Gesicht getreten worden sein. Keine Ahnung, ob das stimmt, aber der Name ist schon richtig witzig. Stell sich einer einen Fluss bei uns vor mit dem Namen Tretendes Pferd! Der Fluss jedenfalls hat eine auffallend hell türkise Farbe und bildet noch ein Stück weiter einen wirklich beeindruckenden Wasserfall, den Wapta Falls. Der breite Fluss bricht plötzlich 30 Meter auf seiner gesamten Breite in die Tiefe. Der 2 km Weg dorthin ist prima.
Dazwischen waren wir noch in dem kleinen Ort Field mit 200 Einwohnern, einem großen Inn und vielen kleinen Gasthäusern. Außerdem gibt es noch ein Café, wo sich doch tatsächlich die Einheimischen zu einem Schwätzchen treffen. Hier scheint jeder jeden zu kennen und es macht Spaß den Gesprächen zu lauschen. Wir sind die einzigen Fremden. So schön ein intaktes Dorfleben zu erleben. In ganz USA haben wir das nicht erlebt, ausgenommen Washington State. Aber in Kanada gibt es ja auch Pubs!
Ein Kuriosität habe ich noch, den Spiral Tunnel. Früher wurde die Zugverbindung noch für den Transport von Menschen genutzt, heute fahren hier nur noch Güterwägen. Die sind unglaublich lange und auf jedem Wagon sind zwei Container übereinandergestapelt. Dieser ausgesprochen lange Güterzug nun muss einen steilen Berg hinauf. Damit die Steigung ein bisschen entschärft wird hat man eine 288 Grad Schleife eingebaut, eine Spirale eben. So kommt es, dass schein bar zwei Züge knapp übereinander und gegengleich im Hang eines Berges fahren. Wir hatten das Glück gerade einen Zug in dieser Spirale fahren zu sehen.
Es war ein sonniger und sommerlich warmer Tag heute zudem ein erfüllter in beeindruckender und wunderschöner Natur.
4. Juni 2023
Golden
Und wieder ein sommerlich sonnig warmer Tag! Ich gehe am Morgen entlang des Kicking Horse laufen. Es gibt in dem Ort sogar einen 25-Meter-Pool, aber die Schwimmerkultur ist ein bisschen konfus. Also nichts für uns.
Dann gibt es ein spätes Sonntagsfrühstück mit Spiegelei usw.
Unsere Vermieterin hat eine Mappe mit Wanderrouten bereitgelegt. Ihren Favoriten wollen wir heute ausprobieren. Da Sonntag ist, ist eine kleine Tour in der Nähe, die nicht so touristisch ist scheint’s eine gute Wahl. Leider ist der Weg allerdings eher von Mountainbikern favorisiert und zweitens jagen uns nach 2 Kilometern nach dem Überqueren eines Baches, eine Schar Mücken. Also treten wir den Rückzug an.
Da wir zwei Tage mit vollem Programm vor uns haben und eine Übernachtung in einem Privatzimmer, genehmigen wir uns nach einem Spaziergang durch den Ort Golden mit Eis und Kaffee eine Auszeit in unserer Ferienwohnung. Da es eine Souterrain-Wohnung ist, ist sie schön kühl.
Der Ort selbst ist ein bisschen wie die Skiorte bei uns: im Sommer etwas verwaist. Aber das Eis ist sehr lecker und in einem Büchercafé fühlen wir uns sehr wohl. Eine prima Sache, wenn man während man seinen Kaffee trinkt, in den Büchern schmökern kann.
Die Ferienwohnung hat uns richtig gutgetan! Kleines Extra: eine Yogamatte, auch wenn ich wegen meines Schwindels noch immer keine Übungen im Liegen machen kann.
5. Juni 2023
Icefield Parkway (Banff NP und Jasper NP): Bow Lake, Peyto Lake, Columbia Icefield (Athabasca Gletscher), Tangle Falls, Sunwapta Falls, Athabasca Falls, Hinton
Die letzte Nacht in unserer Souterrain-Wohnung haben wir nicht so gut geschlafen. Wir vermuten, dass das Klima in einer Kellerwohnung nach ein paar Tage, trotz Raumentfeuchter nicht so gut ist. Das Fenster wollten wir nicht öffnen, weil das Moskitonetz löchrig ist. Aber gemütlich war die Wohnung und wir haben uns mal wieder so richtig schön ausbreiten können.
Um 10 Uhr begeben wir uns auf den höchst gelegenen Highway Nordamerikas, auf den Icefield Parkway, der durch die zwei berühmten Nationalparks Westkanadas führt: Banff und Jasper. Die Markierung für den Parkway ist von dem Ort Banff zum Ort Jasper, das sind 280 km. Die höchste Stelle des Highways ist 2.088 Meter. Wir kommen in Lake Louise auf den Parkway und sind heute 380 km gefahren. Da es wieder ein sommerlich warmer Tag ist mit viel Sonne, sind die Temperaturen da oben gerade richtig.
Erster Stopp: Bow Lake. Man kann bis zum See mit dem Auto fahren und an Ufer gehen. Tom ist sogar ein paar Schritte in den türkisfarbenen See gegangen. Von dort schaut man auf den Krähenfußgletscher. Sehr idyllisch! Es gibt auch eine Lodge, die im Blockhausstil errichtet ist.
Zweiter Stopp: Peyto Lake. Zu diesem See muss man fast einen Kilometer und einige Höhenmeter durch den Wald gehen. Und dann öffnet sich der Blick auf einmal auf einen See in der Tiefe, der so türkisblau ist, dass man an eine Sinnestäuschung glaubt. Absolutly amazing! Wie man hier so schön sagt.
Dritter Stopp: Columbia Icefield (Athabasca Gletscher). Der Parkplatz ist dort, wohin einst in der zweiten Hälfte des 19. Jh. die Gletscherzunge reichte. Und weil der Gletscher, wie alle Gletscher auf der Welt, schmilzt, muss man, um zum Gletscher zu kommen doch ein gutes Stück über das Geröll nach oben gehen. Richtig nah an das Gletschereis kommt man nicht ran, aber doch nah genug, um beeindruckt zu sein. V.a. die Massen an Eis und Schnee, die oben auf dem Kamm hängen sind wunderschön. Man kann auch mit einem Spezialbus zum Gletscher hochfahren, aber wir finden das dekadent!
Vierter bis sechster Stopp: Tangle Falls, Sunwapta Falls, Athabasca Falls. Der Tangle Wasserfall liegt hübsch fächerförmig gleich neben der Straße. Der Athabasca River hat gleich zwei spektakuläre Wasserfälle: Sunwapta und der Athabasca Wasserfall. Bei beiden Gefällen muss der Fluss durch eine Enge.
Unser Airbnb ist in Hinton, ca. 20 km nach dem nördlichen Ende des Jasper NP. Da es ein Privatzimmer ist, gehen wir vorher zum Essen. Google schlägt uns eine Restaurant beim Golfklub vor. Dort gibt es eine sonnige Terrasse mit Blick über den Golfrasen und gleich über einem kleinen Teich. Fantastischer Ausblick über das Grün und mit den Bergen im Hintergrund. Gibt kanadisches Pubfood dort: Poutine. Die Kanadier essen ihre Pommes mit Bratensoße und optional noch geschmolzenen Käse und gebratene Zwiebel und Fleisch auf dem Berg. Schmeckt besser als es sich anhört. Das gezapfte Bier der lokalen Brauerei ist auch süffig.
Das sehr große Blockhaus unserer Airbnb-Hosts ist gemütlich und die beiden, Donna und Doug sind sehr liebenswerte Ruheständler. Sie ehemalige Grundschullehrerin und er evangelischer Pastor. Eines der gastfreundlichsten Häuser, in dem wir übernachtet haben. Die beiden helfen uns bei der Identifikation der Tiere, die wir heute neben der Straße fotografiert haben: Mountain Goat, Bighorn Sheep und Elk. Sitzen noch ein bisschen in der großen Sofagruppe vor dem Kamin.
6. Juni 2023
Jasper NP: Maligne Lake, Maligne Canyon
Hier im Blockhaus ist ein funktionierendes Mückennetz am Fenster und wir konnten endlich mal wieder bei offenem Fenster schlafen. Nachts wird es angenehm kühl. Leider ist in der Nähe ein Bahngleis. Dort fahren auch nachts die Güterzüge. Die sind zwar nicht so laut, wie bei uns, weil sie viel langsamer fahren, aber ein bisschen stört es den Schlaf schon. So kommt es, dass wir erst um 8 Uhr aufwachen, obwohl uns gestern Abend noch weit vor 23 Uhr die Augen zugefallen sind.
Um 9 Uhr ist Frühstück angesagt, dass im großen zentralen Raum mit dem Kamin und der Küche, auf einem langen Tisch für alle Gäste serviert wird. Wir sind zu neunt und es ergeben sich nette Gespräche. Na ja, mit den indischstämmigen Kanadiern, eine fünfer Gruppe in den 20igern, eher weniger. Aber das andere Pärchen, ein amerikanisches Geschwisterpaar, sind sehr gesprächig. Voller Stolz erzählen sie, dass sie zum ersten Mal in ihrem Leben im Ausland sind. Sie sind 3.500 Kilometer von zu Hause weg. Bei der Strecke wären wir in Europa schon auf einem anderen Kontinent 😉
Wir fahren über 100 km in den Jasper NP hinein zum Maligne Lake. Der See hat eine „normale“ Farbe. Das Besondere ist, dass er 22 km lang und sehr schmal ist. Er wurde durch einen Gletscher gebildet, der seine Moräne zum Ende seiner Lebenszeit aufgestaut hat und so den Abfluss behindert hat. Vom einen Ende zum anderen steigen deshalb links und rechts des Sees die Berge immer höher in den Himmel. Am Ende des Sees schaut man auf über 3.000er. Wir machen einen kleinen Walk, der uns an einer Lichtung vorbeiführt, wo kleine Erdwesen neugierig aus ihren Löchern schauen. Es sind entweder American Pika, Columbian oder Richardson’s Ground Squirrel. Da müssen wir unsere Donna noch fragen.
Auf dem Weg zum See haben wir endlich unsere ersten wilden Black Bears gesehen. Gestern noch hat uns Doug den Begriff Bear Jam beigebracht: Dort wo viele Autos mitten auf der Straße stehenbleiben, ist meist ein Bär nicht weit. Und so war es. Wir denken es waren Junge Bären, die direkt neben unserem Auto die Blumen und Gräser gefressen haben.
Zwischen dem See und dem Canyon machen wir ein Picknick an einem Fluss und kommen zufällig mit einem Deutschen Paar am Picknicktisch zusammen. Die Frau hat uns ganz neidisch angeschaut und gesagt: 10 Monate, ich will auch!
Beim Parkplatz des Maligne Canyons gibt es ein hübsches Café. Da wir uns beim Supermarkt heute früh Zimtschnecken gekauft haben, setzen wir uns mit unserem Kaffee aber nicht auf die Terrasse, sondern auf ein paar Stühle unter den Bäumen. Konnten ja nicht wissen, dass das Café im NP so hübsch ist.
Der Canyon ist richtig sehenswert. Schon der Beginn direkt neben dem Parkplatz! Der Fluss hat die Steine so kunstvoll geformt, dass es fast künstlich ausschaut. Der Fluss schneidet sich ab dieser Höhe immer tiefer in den Stein. Bzw. hat sich geschnitten. Am Ende ist er fast nicht mehr zu sehen. Es liegen Baumstämme tw. kreuz und quer in der Schlucht, kleine Wasserfälle dazwischen und immer wieder führen Brücken über die Schlucht.
Der Name „Maligne“ soll daherkommen, dass der erste Pionier, der zum Fluss kam, ihn als bösartig empfunden hat, weil er ihn nicht überqueren konnte. Am See sind jedoch Tafeln aufgestellt, die von Mary Schäffer erzählen, die anhand einer von einem Indianer gezeichneten Karte den See nach langem Suchen gefunden hat. Heute schaut der See auf alle Fälle gar nicht bösartig aus. Es fahren Schiffe darauf und von dem Steg, auf dem wir uns gesetzt haben, sah der See, auch wenn er nicht wärmer als 10 Grad wird, malerisch aus.
Zum Abendessen fahren wir wieder zu unserem Golfklub. Das Steakhaus, das uns Google vorgeschlagen hat, lag direkt am Highway. Die Kellnerin im Golfklub hat sich an uns erinnert, wir haben ein bisschen geratscht und am Ende hat sie uns auf die Rechnung noch hinten drauf mit der Hand geschrieben: „Enjoy the rest of your holiday – Kelli“
Wir erledigen noch unseren Lebensmitteleinkauf für die Hütte am See.
7. Juni 2023
Fahrt ins „Nichts“ / Forest Grove
Beim Frühstück sind wir heute mit Donna und Doug allein, so dass wir ziemlich lange, noch über das eigentliche Frühstück hinaus, das heute aus sehr leckeren Pancakes bestand, uns unterhalten. Wir erfahren, dass Alberta erst kürzlich gewählt hat und die Frau, die jetzt den Bundesstaat lenkt, weit rechts angesiedelt ist und am liebsten Alberta als einen eigenständigen Staat sehen würde. In Europa wissen wir sehr wenig über Kanada und die Innenpolitik dieses Landes!
Kommen also erst um 9.30 Uhr los und haben heute 550 km vor uns. Autobahnen, wie bei uns gibt es nicht. Die Highways haben meist einen Geschwindigkeitsbegrenzung von 100 km/h und sind einspurig mit ab und an einer Erweiterungsspur. Es ist jedoch wenig Verkehr auf der Straße, so dass wir ohne irgendwelche Behinderungen fahren können. Wir müssen nicht mal größere Städte durchqueren, so dass wir auch nicht von Ampeln aufgehalten werden. Machen mal eine Kaffeepause und eine Mittagspause auf einem Campingplatz an einem See. Von einem Rastplatz mit Picknickbänken haben wir die Flucht ergriffen, weil wir schon beim Aussteigen von Mücken angefallen werden.
Diese Erfahrung lässt uns Böses ahnen über unseren Aufenthalt in der Einsamkeit. Aber auf dem Campingplatz kurz danach, der auf einer kleinen Anhöhe an einem See liegt, sind wieder gar keine Mücken.
Um 15 Uhr nähern wir uns unserem Ziel. Wir durchfahren den Ort 100-Mile-House. Das war der einzige Ort in der Nähe unserer Hütte, die den Hosts in Hinton bekannt war. Lone Butte oder Forest Grove, die kleinen Orte vor der Abzweigung zu unseren Hosts, kannten sie nicht. Wir sind nun wieder in British Columbia, haben wieder 1 Stunde gewonnen. So kommen wir doch recht früh zu unserer Hütte. Eine 3 km lange Kiesstraße führt uns zu einer kleinen Einfahrt mit einem großen Schild mit der „Hausnummer“. Wir werden von Volker und Diana, zwei deutschen Auswanderern begrüßt. Die Hütte hat Strom, aber kein Wasser. Die Toilette ist ein Plumpsklo und die Dusche befindet sich auch draußen. Das Wasser für die Dusche wird mit Gas geheizt. Alles sehr basic, aber auch sehr liebevoll eingerichtet. Wir haben eine glasüberdachte Holzterrasse mit Blick auf einen kleinen See. Wir können die Boote von Volker und Diana benutzen. Das werden wir morgen machen. Heute genießen wir die Ruhe und das Wasser und den Wald um uns herum. Es ist herrlich!
Später kocht Tom in der Außenküche: ein Camping-Gaskocher und ein Gasgrill. Unsere Lebensmittel sind in einer Kühlbox, für die wir Eis bekommen haben. Bis die Sonne hinter den Bäumen so gegen 18 Uhr sich zurückzieht ist es recht heiß. Mit Sonnenuntergang um 21.15 Uhr wird es rasch kühler und um 21.30 verziehe ich mich nach drinnen, weil es draußen kühl wird. Das Schlafen wird also kein Problem. Und die Mücken? Wenige, und die nur um den Sonnenuntergang herum. Wir haben auch Mückenspiralen bekommen und es gibt eine Bodylotion mit Lavendelduft. Also alles Gut in Sachen Getier. Ein Streifenhörnchen läuft unter der Terrasse und über die Terrasse, aber das sind ja liebe Tierchen. Es soll einen Schwarzbären geben in der Gegend…
8. und 9. Juni 2023
Hütte am See (Mount Timothy bei Forest Grove in der Nähe von 100-Mile House)
Der 8. Juni startet kühl am morgen und wird dann schon vor Mittag zu einem heißen Sommertag mit Sonne bis zum Sonnenuntergang um 21.15 Uhr. Am 9. Juni ist es morgens schon warm und wird im Laufe des Tages nicht mehr viel wärmer, die Wolken werden immer mehr und ab dem späten Nachmittag regnet es immer mal wieder.
Die Entwarnung in Sachen Mücken war etwas voreilig. Bei der Außenküche sind sie fast immer. Und besonders viele kommen so um den Sonnenuntergang herum. Gestern Abend haben wir uns genau zu dieser Zeit deshalb in die Hütte zurückgezogen und dadurch eine ganze Schar mit ins Bett unters Dach gebracht. Zum Glück ist ein Mückennetz da. Das haben wir dann aufgehängt und so konnten wir sehr gut schlafen. In dieser idyllischen Ruhe besonders tief, obwohl es eine sehr weiche Matratze ist, die sich anfühlt, als würde man auf einem riesigen Kissen schlafen.
Tom verbringt seine Tage hier komplett mit Lesen und ein bisschen kochen. Ich gehe die ungeteerte Straße einmal in die eine Richtung joggen das andere Mal in dann in die andere. Einen Bären sehe ich nicht, aber zwei Hunde kommen rausgeschossen, werden aber rasch von ihren Besitzern zurückgerufen. Am zweiten Tag gehe ich am späten Nachmittag auch mit dem Kanu der Hosts paddeln auf dem See, auf den wir von unserer Veranda aus schauen. Macht Spaß allein auf dem See, der nicht sehr tief ist und voller Seerosen. Und am Abend mache ich Yoga auf der Veranda und spüre die Kraft dieses Ortes.
Nach diesen beiden Tagen in der sehr einfachen, wenn auch gemütlichen Hütte, mit dem Plumpsklo und der Außendusche und Außenküche, sind wir dann aber auch froh wieder weiterzufahren. Die Mücken waren doch arg lästig und das Leben so mitten in der Natur ist nur für ein paar Tage nett für uns. Aber die Ruhe und das viele Grün um uns herum mit dem Blick auf den See, haben uns sehr gutgetan.
10. Juni 2023
Weiterfahrt nach Vancouver Island: Nanaimo
Nach dem Regen in der Nacht ist es am morgen etwas klamm draußen, aber auch wunderschön. Wir genießen unser letztes Frühstück mit dem Blick auf den See und verabschieden uns von Diana und Volker. Volker erzählt, dass er Western von einem amerikanischen Autor liest, um Englisch zu lernen, denn als Ossi hätte er ja Russisch gelernt. Die beiden leben seit 13 Jahren hier und er kann noch nicht gut genug Englisch? Wie hat er sich dann das Wissen über den Schamanismus angeeignet. Von lokalen „echten“ Schamanen dann ja wohl eher nicht. Schon ein schräger Esoteriker… aber nicht unsympathisch. Die Mücken kommen laut Diana erst Mitte Juni und sind spätestens im August, manchmal auch schon im Juli, wenn der trocken und heiß ist, wieder weg. Bei uns werden die Mücken doch erst zum Ende des Sommers hin eine Plage.
Als wir auf die Schotterstraße fahren läuft dann ein Schwarzbär vor uns über die Straße. Der ist auch nicht größer als die, die wir im Jasper gesehen haben. Daraus schließen wir, dass die im Jasper auch erwachsenen Bären waren.
Heute regnet es während der langen Fahrt immer mal wieder, aber die Strecke über Whistler ist wohl bei jedem Wetter wunderschön. Ich meine, dass es heute sogar besonders mystisch war die Passstraßen und Schluchten zu fahren. Die Wolken hingen in Fetzen im Wald und an den Bergen. War auf alle Fälle lohnend die anstrengendere Strecke zu nehmen.
Und schließlich sehen wir auf dieser Strecke einen Grizzly! Er war einfach so neben der Straße und hat da gefressen. Löwenzahnblüten findet er anscheinend besonders lecker. Er hat alle Köpfe abgefressen!
Vor Vancouver in Horseshoe Bay nehmen wir die Fähre nach Nanaimo. Tom war sehr aufgeregt, ob wir Platz auf der Fähre bekommen, denn im Netz waren keine Plätze mehr zu reservieren. Allerdings werden nur 30% für den Online-Verkauf freigegeben, der Rest ist „First-come-first-serve“. Aber es läuft ganz einfach. Man zahlt wie in Italien bei den Mautstellen, muss also nicht mal sein Auto verlassen und Schwupps fährt man auf die Fähre, v.a. wenn man nur knapp 30 Minuten vor dem Ablegen im Hafen ist.
Während der Überfahrt drosselt der Kapitän die Motoren kurz vor Vancouver Island, weil Wale vor uns schwimmen. Leider bekomme ich nur eine Flosse in der Ferne zu sehen. Vancouver Island erinnert uns ein bisschen an Neuseeland. Wir beziehen unser hübsches kleines Studio in türkis und suchen uns ein englisches Pub fürs Abendessen aus. Dazu müssen wir ein bisschen rausfahren aus dem Hafenort, aber dann sind wir für über eine Stunde einfach so in unserem geliebten England. Das „Crow and Gate Pub“ gibt es seit 1972. Der Garten ist sehr gepflegt und das Innere schaut aus wie ein 400 Jahre altes Pub.
11. Juni 2023
Vancouver Island: The Butchart Gardens
Leider müssen wir heute Morgen ein bisschen nervige Post mit zuhause erledigen… Manche Dinge ereilen einem auch auf Reisen.
Erst auf der Fahrt nach Victoria (ca. 100 km) bei Sonnenschein – man sind wir Glückskinder – entscheiden wir uns dafür heute die Butchart Gardens zu besichtigen, denn dieser berühmte Garten, der ein „National Historical Site of Canada“ ist, ist 20 km außerhalb von Victoria. Zwar ist am Sonntag besonders viel los, aber dafür gibt es neben den Blumen und Pflanzen auch noch viele Menschen zu beobachten.
Der Eintritt ist auch hier bestens organisiert: Wie bei der Fähre bezahlt man gleich vom Auto aus. Kurz Luftholen, denn für uns beide kostet der Besuch 50 Euro. Man wird über eine wildromantische Straße zum Parkplatz geleitet und damit man später sein Auto wiederfindet, sind die einzelnen Abschnitte mit Tierbildern gekennzeichnet.
Der Garten wurde 1904 von Jennie Butchart angelegt. Sie wollte den aufgelassenen Steinbruch verschönern, in dem ihr Ehemann Robert Pim Butchart Kalkstein für Portlandzement hatte abbauen lassen. Von 1907 bis 1912 unterstützte sie der japanische Landschaftsgestalter Isaburo Kishida, der in dieser Zeit auch weitere Parks in der Region anlegte, beim Ausbau des Gartens. Noch heute ist der Garten in Familienbesitz und lockt jährlich 1 Millionen Besucher an. Er gliedert sich in fünf Bereiche: der Senkgarten, der Rosengarten, der japanische und italienische Garten und der mediterrane Garten. Am erstaunlichsten ist der Senkgarten, v.a. wenn man die alten Bilder des Steinbruchs anschaut. Die Anzahl und Pracht des Rosengartens ist auch eindrucksvoll.
Ein gut angelegter Garten hat einfach eine glücklich machende Atmosphäre. Wir genießen unser Stunden in der Anlage und auch das Picknick auf dem Spielrasen.
Dann fahren wir zu unserer nächsten Unterkunft. Die ist wieder im Souterrain eines Hauses, aber hier können wir die Fenster öffnen. Hübsch hier. Wollten zuerst die vorhandenen Geräte und von der Vermieterin bereitgestellten Nahrungsmittel inspizieren, denn aus dem Inserat sind wir dazu nicht ganz schlau geworden. Erst dann fahren wir zum Einkaufen.
Stellen das Auto am Supermarkt ab und gehen erstmal eine Runde am Gorge Waters joggen. Das ist der Sund, der vor Victoria beginnt und hier so schmal wie ein Fluss ist. Am gegenüberliegenden Ufer gibt es traumhafte Grundstücke mit direktem Wasserzugang. Auf unserer Seite ist ein kurzes ca. 2 km langes Stück für die Öffentlichkeit zugänglich. Dann einkaufen und schließlich kocht Tom auf einem kleinen Elektrokocher unser Abendessen. Schauen dazu ein bisschen kanadisches TV, denn das ist doch auch immer spannend in einem fremden Land. Die Menschen beschäftigt der Klimawandel und machen ihn dafür verantwortlich, dass die Feuersaison immer früher beginnt und immer intensiver wird.
12. Juni 2023
Victoria (Vancouver Island): Empress Hotel, House of Parliament, Royal BC Museum, Beacon Hill Park, Strand, Ross Bay Friedhof, Wentworth House, Fort Street, Fisherman’s Wharf
Da wir beide in den frühen Morgenstunden wach sind und dann aber nochmal einschlafen, wird es später bis wir aufstehen. Telefonieren noch eine halbe Stunde mit Felix in Schweden. Zeigt uns das Shelter-Haus, wo sie heute kostenlos übernachten können. Riesig!
Müssen zwar nicht weit fahren, um an den Rand der Innenstadt zu kommen, aber dann suchen wir ein bisschen rum, ehe wir die Gegend finden, wo man ohne Beschränkung parken dürfen. Anschließend erkunden wir die Stadt komplett zu Fuß und kommen so auf 18 km.
Los geht es am Hafen entlang zum Empress Hotel, das mit seiner imposanten Größe dem gegenüberliegendem House of Parliament fast die Show stiehlt. Aber da vor dem Parlament auch eine Statue von Queen Victoria und ein Totempfahl steht hat das House doch die Nase vorne. Leider kann man nicht mehr einfach so in das Voyer des Empress Hotels gehen. Bereits vor den Eingangsstufen ist die Rezeption für Reservierungen. Ein deutliches Zeichen für uns, dass wir als bloße „Schauer“ nicht erwünscht sind. Und 70 Euro für einen High-Noon-Tea zu zahlen ist uns die Sache dann doch nicht wert.
Das Royal British Columbia Museum hat eine große Abteilung zu den First Nations, die aber leider zur Zeit geschlossen ist. Erst das geschlossene Anthropologische Museum in Vancouver und jetzt das! Wir erfahren, dass das daran liegt, dass die Regierung den First Nations ihre Kulturgüter zurückgeben will und deshalb große Umstrukturierungen im Gange sind. Okay, verstehen wir. Schade, dass das gerade jetzt sein muss. Aber immerhin gibt es eine kleine Ausstellung vor dem Museumscafé zu den Kanufahrten der First Nations, so dass wir wenigstens ein bisschen mehr über die Kultur erfahren können. Die ist dann auch kostenlos.
Das gemeinsame Kanufahren ist eine spirituelle Erfahrung: es ist heilend, es ist meditativ, es dient der Gemeinschaft, es gibt den Menschen Freiheit, es zeigt Führungsqualitäten. Das Ruder steht für das Reisen. Bevor die Siedler kamen, war das Reisen und das Handeltreiben für die Menschen hier die Normalität. Entlang der Westküste Nordamerikas sind sie mit ihren Kanus von Oregon bis Alaska unterwegs gewesen, um zu fischen und Waren zu anderen Stämmen zu transportieren. Heute hilft es den entwurzelten Menschen, die Verbindung zu ihrem Volk wieder herzustellen. Die sogenannten Residantial Schools haben mehrere Generation der Indigener von ihrem Volk entfernt. Die Kinder wurden ihren Eltern weggenommen und in diese Schulen gesteckt, um sie im Sinne der „Weißen Rasse“ zu erziehen. Das gleiche ist auch in Australien mit den Aborigines gemacht worden. Ziel war es die Rasse der Ureinwohner zu tilgen. Viele der Kinder in den Schulen sind gestorben. Aber zum Glück haben auch viele diese finstere Zeit überstanden.
Die weißen Siedler hatten schon mit ihrer bloßen Anwesenheit 90% der Indigenen umgebracht, weil sie Krankheiten wie Tuberkulose, Masern, Influenza, u.a. eingeschleppt hatten, gegen die die Einheimischen keinerlei Abwehrstoffe entwickelt hatten.
Auch in dieser Ausstellung fällt uns wieder die Gier der Weißen auf. Die First Nations haben hier 14.000 Jahre gelebt, ohne die Natur zu zerstören. Nachhaltigkeit waren ihnen wichtig, also immer nur so viel zu nehmen, dass es das Gleichgewicht nicht zerstört. In Vancouver hatten wir gesehen, dass die Weißen nach ihrer Ankunft nichts Besseres im Sinn hatten, als möglichst viele Bäume abzuholzen.
Und noch etwas nehmen wir aus der Ausstellung für uns selbst mit: Wurzeln sind wichtig! Aber wir sehen auch, dass von USA über Neuseeland, Australien bis Kanada die Weißen versuchen Wiedergutmachung zu üben. Am besten gelingt das unserer Meinung nach in Neuseeland und am schlechtesten in Australien. First Nations und ihre Geschichte ist definitiv ein Thema, mit dem ich mich zuhause intensiver beschäftigen möchte.
Nach einer Kaffeepause geht es weiter in den wunderschön waldigen Beacon Hill Park, der ganz viele erholsame Plätze und lauschige Wege hat. Am Ende gelangen wir an den Strandabschnitt von Victoria, wo man auch baden könnte, wenn das Wasser nicht so kalt wäre. 10 Grad soll es nur haben, aber Sonnenbaden geht gut. Wir schauen rüber auf die schneebedeckten Berge des Olympic NP, wo wir vor 3 Wochen waren. Und vor 6 Wochen sind wir durch diese Juan de Fuca Meerenge mit dem der Westerdam in den frühen Morgenstunden gefahren. Die Häuser entlang der Straße bzw. des Strandes sind traumhaft.
Der Ross Bay Friedhof ist der älteste Friedhof in British Columbia, was heißt, dass die ältesten Gräber etwas mehr als 100 Jahre zählen. So jung ist dieses Land! Die erhabenen alten Bäume auf dem Friedhof sind da ein Vielfaches älter. Mitten zwischen den Grabsteinen liegt ein Reh 😊
Das sehr ruhige Wohnviertel mit hübschen bunten Häusern mit herrlichen Veranden und üppigen Gärten, das dahinter kommt macht so richtig Laune. Auf der Fort Street stehen die ältesten Häuser: sehr englisch. Auch das ehemalige Wohnhaus der Schriftstellerin Wentworth ist ein rosafarbenes englisches Haus mit dem Unterschied, dass es wie die meisten Häuser hier aus Holz gebaut ist.
Ehe wir zur Fisherman’s Wharf gehen, stärken wir uns zur Happy Hour Zeit in einem Pub. Dann durch die kleine Fußgängerzone mit vielen Souvenirläden und wieder runter zum Hafen. Vorbei an neugebauten Wohnhäusern, die wieder einmal statt eines grünen Rasens um das Haus einen Teich drum rumhaben. Der Abschluss des heutigen langen Besichtigungstages machen die Hausboote an der ehemaligen Fischerwerft. Hier ist es bunt und individuell. Und weil die Idylle so viele Touristen anzieht, gibt es auch jede Menge Fressbuden. Ist dennoch toll hier!
Die kleinen lustigen Wassertaxis helfen uns bei unserem Weg zurück zum Auto leider gar nichts. Dauert viel zu lange bis das nächste Fährt und so legen wir noch einen flotten Marsch am Ende zu all der Lauferei heute drauf, denn über die verschlungene Hafenbucht führt nur eine Brücke.
Zum Abendessen schauen wir ein bisschen kanadische Nachrichten an. Da sind so viele kleine Bildschirme um den Hauptbildschirm herum, dass uns ganz schwindelig wird. Ein Drittel ist für die eigentlichen Nachrichtensendung, dann eine Ecke für die Wetterdaten, ein Teilbild für Werbeeinblendungen, und darunter Texte zu weiteren Nachrichten und zuletzt noch die Börsenkurse. Werbeunterbrechungen gibt es zudem auch alle 5 Minuten. Was wir erfahren ist, dass uns ein Brandherd dann doch beeinträchtigt. Wir wussten schon, dass der Highway 1 wegen eines Feuers gesperrt ist und wir einen Umweg von über 2 Stunden morgen fahren werden müssen, um nach Tolfino zu kommen. Dass dieser gesperrte Highway auch zu Lieferengpässen bei den Supermärkten führt, erfahren wir aus den Nachrichten. Also werden wir morgen noch vor Querung der Insel uns mit Nahrungsmittel versorgen. So schlimm, dass wir nichts bekommen, ist natürlich nicht, aber wenn wir eh schon von der anderen Seite kommen?
Noch ein Telefonat mit Justus. Der ist fleißig am Putzen 😊 Er und wir freuen uns aufs Wiedersehen.
13. Juni 2023
Fahrt nach Tofino
Als wir heute um 10 Uhr von Victoria losfahren wissen wir zum Glück noch nicht, was uns bevorsteht. Die Umleitung, die wir wegen der Sperrung des Highway 4 infolge des Feuers dort, nehmen müssen ist eine Piste. 100 km geht es durch den Wald auf einer unbefestigten Straße, die im Moment alle nehmen müssen, die die Insel queren wollen oder müssen. Zwar wird die staubige Straße bewässert, aber das hält die Staubschwaden, die unweigerlich durch die Fahrzeuge aufsteigen, nur bedingt kleiner. Es sind auch große LKWs unterwegs und einmal müssen wir eine Weile am Straßenrand warten, bis ein langer Zug an schweren Trucks durch ist. Schneller als 50 km/h können wir nicht fahren und die meiste Zeit müssen wir immer wieder runterbremsen, weil große Steine auf der Fahrbahn liegen oder große Löcher umfahren werden müssen. Ein kurzes Stück ist geteert, aber das ist es fast noch schlimmer, denn der Teer hat tiefe Löcher und breite Risse.
Nach 4 Stunden haben wir zwei Drittel der Streck geschafft und gönnen uns einen Kaffee und einen Muffin in Port Alberni, wo wir auch Lebensmittel einkaufen. Die restlichen 120 km fahren wir auf dem Highway 4, der aber eine gewundene Landstraße ist und auch nur 60 km/h im Schnitt zulässt. Wir kommen ziemlich fertig in Tofino an.
Unser Studio ist in einem Haus von deutschen Auswanderern, die schon vor 40 Jahren hierhergezogen sind. Das B&B wurde von der Mutter mit Leidenschaft geführt, die ist aber verstorben. Heute werden nur die Zimmer vermietet ohne Frühstück und geführt wird das ganze von den 3 Kindern, wobei die auch schon im Rentenalter sind.
Der Ort Tofino an der rauen und zerklüfteten Westküste von Vancouver Island liegt auf einer engen Nadel und soll traumhafte Surferstrände haben. Wir machen nur einen kleinen Spaziergang in den Ortskern und buchen eine Wal-Beobachtungs-Tour. Für morgen sind alle Fahrten abgesagt, weil zu starker Wind ist. Schon heute weht es uns die Hüte vom Kopf. Der Ort ist ganz auf den Tourismus eingestellt und alles ist sehr teuer. Bin mal gespannt, ob sich die anstrengende Fahrt hierher gelohnt hat. Müssen das alles ja auch wieder zurück, denn die Sperrung des Highways dauert noch mindestens 10 Tage. Ausgelöst wurde das Feuer übrigens von Campern, die ihr Lagerfeuer nicht gelöscht haben!
Ich gehe dann noch eine kleine Strecke laufen. Neben der Straße durch den Ort, die gleichzeitig der Highway 4 ist und auch durch den Nationalpark führt, gibt es einen breiten abgetrennten Weg für Fußgänger und Radfahrer.
14. Juni 2023
Tofino Beaches
Der Sturm, der für heute angesagt war und dafür gesorgt hat, dass die Walbeobachtungstouren für diesen Tag abgesagt wurden, ist nicht gekommen. Gestern Abend war es wesentlich stürmischer als heute am Morgen. Da war es fast windstill hier ums Haus. Erst vorne am Meer war Wind, aber kein Sturm. Na ja, das haben wir schon ganz zu Anfang von Kanadiern gehört, dass die Wettervorhersagen v.a. für Vancouver, nicht oft zutreffend sind.
Wir fahren am Vormittag zum Chesterman Beach, ein tiefer ca. 2 Km langer Sandstrand. Ein paar Surfer (Anfänger) und ein paar Spaziergänger verlieren sich in der weiten Landschaft und dem Ozean. Berauschend die Szenerie! Obwohl es schon Mitte Juni ist, ist es zum Sonnenbaden selbst im Windschatten zu kühl. Wir haben an der Meerkante vorne sogar T-Shirt und 2 Jacken an. Die Häuser, die sich im Wald, der direkt an den Sandstrand reicht, verstecken, schauen genauso aus, wie in Hollywoodfilmen. Und auf ein paar kleinen Felsen, die in Meer hinausragen stehen auch Häuser mit großen Fensterflächen.
Das Haus, in dem wir wohnen ist leider direkt an der Hauptstraße von Tofino und auch noch am Ortsrand. Als wir am Nachmittag die Straße entlang gehen und versuchen zu einem Trail zu kommen, müssen wir durch ein Kieswerk durch. Schaut alles so gar nicht nach dem hochgelobten „Da muss man hin“-Ort aus. Der Trail ist gesperrt. Also Tofino macht es uns schon ein bisschen schwer es zu lieben. Erst die schwierige Anreise, dann der starke Wind und nun der gesperrte Trail. Die Innenstadt hat ihre hübschen Seiten und der kleine versteckte Strand hinter dem Ortskern ist lauschig. Wenigstens hat den ganzen Tag die Sonne geschienen.
Wir hoffen nun, dass wir morgen bei der Bootstour alle drei Walarten zu sehen bekommen: Buckelwal, Grauwal, Orca oder Killerwal.
15. Juni 2023
Tofino: Walwatching
Haben leider beide nicht gut geschlafen und Tom wacht auch noch mit einer Erkältung auf. Aber zum Walwatching fahren wir trotzdem. Doch leider haben wir auch hier nur wenig Glück. Es ist ein bedeckter kühler Tag, zum Glück jedoch fast kein Wind. Auf dem Schiff sind 11 Touristen, also überschaubar. Die beiden Bootsführer geben sich alle Mühe uns viele Informationen zur Küste von Tofino zu geben und was über die Tiere zu erklären. Aber leider sehen wir nur einen Grauwal. Den dafür dann auch mal kurz direkt neben dem Boot.
Wir erfahren, dass es den Booten hier nicht erlaubt ist sich den Walen weniger als 100 Meter zu nähern. Wenn jedoch der Wal von selbst zum Boot schwimmt, ist das okay. 100 Meter ist schon eine ganz schöne Distanz, da sieht man nicht so viel vom Wal. Das war vor 20 Jahren in Australien aber ganz anders. Einen Orca bekommen wir auch nicht zu sehen und zu allem Übel muss das Boot noch auf den Ersatzmotor wechseln, weil der starke Motor den Geist aufgegeben hat.
Es war trotzdem schön nochmal auf den Pazifik rauszufahren und die Wellen zu reiten. Anschließend machen wir uns eine Brotzeit und gleich danach legt sich Tom mit der Ibu ins Bett. Ich gehe später noch eine Abschiedsrunde joggen. Gehe mit den Füßen in den eiskalten Pazifik und sage Bye Bye zu ihm, denn so schnell werde ich diesen Ozean wohl nicht wiedersehen und wir haben uns jetzt doch ziemlich lange in und an diesem Gewässer aufgehalten.
Dann gibt es nicht mehr viel zu tun, als aufzuräumen, zu packen und einen Sack Kleidung auszumisten, die wir nicht nach Hause mitnehmen wollen. Wir hoffen beide, dass es Tom morgen wieder so gut geht, dass er die anstrengende Strecke zurück nach Vancouver bewältigen kann. Ich bin auf das Mietauto nicht zugelassen.
16. Juni 2023
Fahrt zurück aufs Festland
Tom ist definitiv krank, aber er traut es sich zu das Auto zu fahren. Er fährt einfach zu gerne mit dem schicken BMW. Wir hätten auch bei der Autovermietung anrufen können und mich als Fahrerin registrieren lassen können, aber wenn das dann Probleme gemacht hätte, wäre es auch blöd gewesen, denn wir müssen heute ja zurück, denn morgen um 14.15 Uhr geht unser Flug nach Frankfurt.
Sind um 7:30 Uhr auf der Straße und es geht! Um 9 Uhr machen wir eine Frühstückspause in Port Alberni, ehe es auf die Schotterstraße geht. Da es heute regnet ist der Streckenabschnitt auf der 98 km langen Piste nicht so staubig. Allerding haben wir das Pech die ersten 40 km in die Kolonne eines Schwertransporters zu kommen.
Danach ein Picknick, denn der Regen hat aufgehört. Das Auto ist schlammbraun! Tom möchte es gerne abspritzen. Nach einer weiteren Pause gibt er deshalb in das Navi eine Autowaschanlage ein. Leider versäumen wir es auf die Uhr zu achten! Verlassen die Waschanlage ohne ein gewaschenes Auto wieder und kommen doch zu spät. Zwar werden wir zur Wartespur durchgewunken, aber beim Beladen es Schiffes ist beim Auto vor uns Stopp. Also 2,5 Stunden warten!
Zum Glück gibt es im Warte- / Imbissbereich WIFI, so dass ich die Zeit nutzen kann und die zwei letzten Blogs fertig machen kann.
Wir kommen dann so spät in Richmond an, dass wir in dieser chinesisch geprägten Stadt, die mit Vancouver praktisch schon zusammengewachsen ist, nicht mehr das angeblich so fantastische chinesische Essen genießen können. Dafür gönnen wir uns nochmal „Pubfood“: Poutine, also die Pommes in Bratensoße und mit Käseklecksen und einen Burger. Die Bratensoße in dem Pub ist sehr dick und die Pommes schwimmen fast darin.
Checken dann in unser letztes airbnb ein. Bei einer Türkin, die vor 25 Jahren hierher ausgewandert ist, eine Ingenieurin. Ihre Söhne sind erwachsen und haben den kanadischen Pass. Ihr Mann ist anscheinend schon verstorben. Sie ist sehr traurig, dass sie hier lebt ohne Verwandtschaft. Ist von Kanada enttäuscht. Schimpft über die kanadische Regierung, die jeden der genügend Geld hat ins Land lässt und genügend Geld haben nur die Chinesen, also werden es immer mehr Chinesen in diesem Land. Eine erfolgreiche Industrie oder Unternehmerkultur gibt es ihrer Meinung nach nicht, nur die Holzwirtschaft. Sie ist sehr nett und herzlich, aber sie bestätigt uns genau das, was wir vor 30 Jahren auf unserer ersten Weltreise von Auswanderern erfahren haben: Familie ist einfach unersetzbar!
Wir sind SO froh, dass Felix und Anna so lange mit uns gemeinsam gereist sind. Und dass Justus extra nach Japan geflogen ist, um mit uns zwei Wochen zu verbringen. WhatsApp-Calls mit meiner Schwester, Cousine und Freunden haben auch geholfen.
An dieser Stelle schon mal ein herzliches Danke an alle, die uns gefolgt sind. Von einigen wissen wir ja, dass sie unseren Blog mit dem Atlas daneben verfolgt haben 😊 Wir haben es genossen euch so ein bisschen dabeizuhaben und mitzunehmen. Auch wenn ich jetzt froh bin, zuhause nicht mehr jeden Abend noch zwei Stunden über dem Tagebuch, dem Sortieren von Fotos und Blogeinträge-verfassen sitzen zu muss. So bin ich doch sehr froh es durchgehalten zu haben und dadurch für Tom und mich ein wunderbares Erinnerungsstück geschaffen zu haben. Die 20.000 Bilder erst zuhause zu sortieren… unvorstellbar.
Freuen uns darauf demnächst unsere Familie und alle unsere Freunde wiederzusehen. Und wir freuen uns auf das Altbekannte, denn unsere Köpfe sind zum Bersten voll mit Eindrücken und Erlebnissen und Geschichten.
Ich kann nur hoffen, dass die Heimreise, der Flug nach Frankfurt und die Bahnfahrt nach München morgen ohne Probleme oder Pech abläuft.
17. Juni 2023
Heimreise
Tom hat in dem Extrazimmer gut geschlafen und kein Fieber mehr, nur noch Schnupfen.
Ich gehe noch eine kleine Runde laufen. Dabei komme ich an einem Community-Garden vorbei. Diese Gärten haben wir in Nordamerika viel gesehen und finden sie eine ganz wunderbare Idee. Ich finde auch in einer kleinen Stadt wie Bad Aibling sollte es welche geben. Vielleicht gibt es sie ja auch schon? Und eine weitere Idee, die ich mit nach Hause nehme, ist die in einem Café gebrauchte Bücher aufzustellen, die die Gäste entweder während ihres Aufenthaltes durchblättern können, oder sie mitnehmen und dafür eines ihrer eigenen Bücher ins Regal stellen.
Zum Frühstück haben wir die noch nicht geöffneten Reiseumschläge von Felix, Justus und Anna geöffnet. So lieb, so witzig und so wunderbar! Die für Traurigkeit und Langeweile mussten wir zum Glück vorab nicht öffnen. Haben herzlich über die Witze gelacht 😊
Auto ist abgegeben, wir sind eingecheckt und schon am Gate. Noch einen 10,5 Stunden Flug und eine ICE-Fahrt von 3,5 Stunden, dann treffen wir unseren Justus in München am Bahnhof!!!
Ich werde jetzt auch gleich das Tagebuch online stellen und den Rest dann in den bereits geplanten letzten Blogeintrag, den „Epilog“ stellen.