24. April 2023
Yokohama: Einchecken auf die Westerdam
Um 11 Uhr verlassen wir unser Appartement in Kamakura. Tom ist bepackt mit unseren beiden schweren Rucksäcken, ich trage die zwei kleinen. Wir beider denken, dass neben dem Stress des Reisens auch das viele Tragen der schweren Rucksäcke zu meinem Schwindelproblem beigetragen haben. Ich meine zu spüren, dass die Ursache des Schwindels im rechten Nacken liegt.
Zuerst geht es mit der kleinen Bummelbahn von Kamakura-Hase (Enodenline) zum Bahnhof Kamakura und weiter nach Yokohama. Dort mussten wir lange anstehen, um die Tokio-Tap-Karten zurückgeben zu können. Ich mache noch schnell ein paar Besorgungen. Dann weiter mit der Metro zum Kreuzfahrtpier Osambashi. Hatten eine Eincheck-Zeit von 16.20 Uhr zugeteilt bekommen. Aber es interessiert keinen, dass wir über zwei Stunden zu früh da sind. Müssen noch einen Coronatest machen und Impfausweise vorzeigen. Das weitere geht dann ganz schnell. Erkundigen uns, ob wir noch eine Upgrade haben können. Ja, aber zunächst entscheiden wir uns dagegen und stellen unsere Rucksäcke in die Kabine und gehen was essen. Dabei überlegen wir nochmal und gehen dann zurück zum Service und hacken nochmal nach. Bekommen ein Upgrade-Angebot zum gleichen Preis, wie von der Email vor ein paar Tagen. Lassen uns das Zimmer zeigen. Es ist größer, hat ein Sofa im Zimmer und vor dem Fenster hängt ein Rettungsboot. Aber das Fenster nimmt die ganze Zimmerbreite ein, so dass dennoch viel Tageslicht reinkommt. Insgesamt ist das den Aufpreis von 140 Euro für uns beide für die zwei Wochen sowas von wert!!! Endlich können wir uns einrichten.
Erkunden das Boot: Es hat nicht den wunderbaren „Empire-Glanz“ wie die Queen Mary. Haben den Eindruck, dass an allen Ecken versucht wird den Passagieren noch ein bisschen mehr Geld abzuluchsen. Aber das liegt ja in unserer Hand. Das Fitnessstudio ist groß genug. Die Bücherei ist leider sehr klein. Aber jetzt haben wir ja ein gutes Zimmer, wo wir prima lesen können.
Den Tisch fürs Abendessen haben wir für 19.45 Uhr zugeteilt bekommen. Eigentlich essen wir nicht gerne so spät, aber da wir hier nicht viel mehr als Sport, Lesen und Essen zu tun haben, werden wir uns einem anderen Essensrhythmus hingeben. Das Diner ist hier auch nicht so üppig, wie auf der Queen Mary. Es gibt nur drei Gänge. Danach sinken wir in unser großes weiches Bett!
25. April 2023
Landgang Yokohama
Die Wettervorhersage für Hokkaido ist so schlecht, dass das Schiff den Hafen von Koshiro nicht anlaufen kann. Deshalb ist das Schiff noch einen weiteren Tag in Yokohama und wir können nochmal an Land gehen. Hatten uns extra Yens aufgehoben für Koshiro, die wollen wir noch ausgeben.
Aber zunächst das Frühstück. Auch hier kann das Essen und der Service dem Vergleich mit der Queen Mary nicht standhalten. Dafür jedoch haben wir sehr nette Gesellschaft beim Essen.
Sind vor 10 Uhr bei Sonnenschein in Yokohama unterwegs auf der Suche nach Essstäbchen und einem Café mit WLAN. In Chinatown finden wir Stäbchensets, aber das Geschäft öffnet erst um 10.30 Uhr. Schlendern also weiter. Außerdem hätte ich eigentlich gerne japanische Stäbchen. Machen einen großen Rundgang durch den Ort vorbei an Gärten im englischen Stil mit Villen im gleichen Stil. Überall blühen die Rosen und Gärtner sind damit beschäftigt jede Rabatte üppigste mit Blumen zu bepflanzen. Der Weg führt auf einen Hügel mit schönen Blicken. Aber ein Geschäft mit japanischen Stäbchen finden wir nicht.
Also schließlich zurück nach Chinatown. Als wir die Stäbchen gekauft haben und weiter zu einer Café-Kette mit Free-Wifi gehen, kommen wir genau an den Geschäften vorbei, die ich vorher gesucht hatte. Das Problem war, dass die alle erst um 11 Uhr aufgemacht hatten. Nachdem ich vom Café aus Justus in seine Cloud noch die Bilder von Matsumoto und Tokio kopiert habe, kaufen wir schließlich auch noch schöne japanische Stäbchen. Hätten auch leicht 60 Euro für 5 paar Stäbchen ausgeben können… ohne Zierrat und aus schlichtem unlackiertem Holz bekomme ich sie aber für 7 Euro. Eine kleine Thermoskanne kaufen wir auch noch und Reisetabletten.
Die Thermoskanne ist notwendig, denn in der Kabine hat man weder einen Wasserkocher noch Behältnisse für das Abfüllen von Wasser. Wie gesagt, der Passagier soll schließlich noch mehr Geld auf dem Schiff ausgeben.
Um 17 Uhr schließlich die bewegende Ausfahrt aus dem Hafen. Es spielt eine Musik, das Schiffshorn tutet, Menschen am Pier winken. Und nach einem Wendemanöver fährt die Westerdam unter dem Wahrzeichen, der Brücke von Yokohama hindurch. Die Brücke wurde 1989 fertiggestellt und verbindet zwei künstliche Inseln miteinander. Tom schaut sich die Ausfahrt durch die Fenster des Fitnessstudios an, das im 9. Stock im Bug liegt. Tja, nun geht es zurück in das Land, wo unsere Reise begann.
Das Diner am zweiten Abend war viel besser als am Ersten. Hervorragend war ein Thunfisch-Carpaccio! Und der Chefkoch ist heute zu jedem Tisch gegangen und hat sich vorgestellt: Er heißt Thomas Schumann und kommt aus der Nähe von Stuttgart 😊
26. April 2023
1. Seetag
Weil Tom heute eine Gespräch mit fremden Menschen bei Frühstück stören würde, habe wir uns an einen Tisch für uns allein setzten lassen und prompt einen Fensterplatz bekommen. So konnten wir dem Wellengang zusehen. Das Frühstück wurde im Dining Room heute bis 9.30 Uhr serviert, weil wir die Uhr um 2 Uhr morgens um eine Stunde vorgestellt haben.
Das Wetter ist wie bereits angekündigt nicht sehr gut. Stürmisch und regnerisch und entsprechend schaukelt das Schiff. Mittags erfahren wir durch den Kapitän bei seiner täglichen Durchsage, dass es sich um 3-4 Meter hohen Wellen handelt, die sich steigern werden und gegen Mitternacht ihren Höhepunkt erreichen.
Gehen heute beide ins Fitnessstudio. Ans Laufband ist nicht zu denken, aber auf einem Fahrrad zu sitzen ist okay. Die Hantelübungen müssen auf der Langbank gemacht werden, denn im Stehen bei dem Geschaukel in den Spiegel zu schauen und Gewichte zu schwingen, ist mir nicht möglich. Viel los ist im Studio eh nicht.
Am Abend dann ein „Dressy Dinner“, das bedeutet, dass man nicht in Jeans erscheinen darf. Das Licht ist gedimmt und das Essen ein bisschen aufgefallener. Außerdem dreht der niederländische Kapitän eine Runde. Für die Servicekräfte wird der Seegang zu einer echten Herausforderung und wir hören auch mal ein Tablett mit Geschirr zu Boden gehen. Unser Ober erzählt uns, dass er einen solchen Seegang auf seiner Reise von USA über Hawaii, Australien und Asien noch nicht erlebt hat. Beim Zurückgehen ins Zimmer, beim Gang durch die Reihen der Tische, habe ich echt Probleme niemanden anzurempeln.
27. April 2023
2. Seetag
Die Nacht wird dann richtig wild. Das Schiff ächzt und stöhnt und manchmal knallt es sogar. Einmal fühlt es sich so an, als wäre das Schiff frontal gegen eine hohe Welle gefahren, alles erbebt. Bei so einem Seegang in die kleinen Rettungsboote wechseln zu müssen…
In den Morgenstunden fährt das Schiff etwas ruhiger, so dass wir nochmal tief einschlafen. So müssen wir heute, zumal die Uhr um eine weitere Stunde vorgestellt wurde, auf Deck 9 zum Frühstücksbüffet gehen. Die Sicht über die aufgewühlte See ist vielleicht einen halben Kilometer. Die Wellen in der Nacht waren 5,5 Meter hoch. Durch eine Kursänderung konnte man ein Gebiet mit noch stärkerem Wind vermeiden. Der Kapitän erklärt uns mittags die Beaufort-Skala. Die geht von 1-12, wobei die 1 für Flaute steht und die 12 für Orkan. Die Kursänderung hat uns eine Gebiet mit einer 11 erspart. Vormittags war der Wind bei 65 km/h und am späten Nachmittag dann bei 80 km/h. Wir haben aber den Eindruck, dass das Schiff nicht ganz so schlingert wie gestern.
Das Gute ist: ich werde nicht seekrank😊 Tom schmeißt lieber Tabletten ein, er will kein Risiko eingehen. Das Training ist auch möglich. Ich gehe sogar in die Sauna, aber da die Tür durch einen hydraulischen Schließer geschlossen wird, öffnet sie sich immer bei einer bestimmten Seitneigung des Schiffes und die Sauna ist nicht sehr heiß. Und noch eine Lektion habe ich heute gelernt: Bei starkem Seegang solltest du immer darauf vorbereitet sein zur Seite oder nach vorne oder nach hinten ausweichen zu müssen. Ich stand mit den Unterschenkeln gegen die Badewanne gelehnt und eine Neigung des Schiffes hat mich so mit einem Plumps in die Badewanne verfrachtet. Zum Glück ist die aus Plastik und mir ist nichts passiert.
Unsere Tage bestehen also aus Essen, Lesen und ein bisschen Training im Fitnessstudio. Sind so froh, dass wir diese bequeme Kabine genommen haben, in der auch ein Sofa steht und Tageslicht reinkommt. Ob der Seegang für diese Jahreszeit auf dieser Route ungewöhnlich oder üblich ist, haben wir noch nicht herausbekommen.
28. April 2023
3. Seetag
Irgendwann in der Nacht ist der Wind abgeflaut und die Wellen niedriger geworden, so dass wir am Morgen nur noch leichtes Geschaukel haben. Sehr angenehm! Dazu scheint auch noch die Sonne und man darf endlich die Außendecks betreten. Die letzten Tage war der einzige Bereich, wo man frische Luft schnappen konnte, der kleine Bereich im Heck des Schiffes, der für die Raucher offenblieb.
Zum Frühstück hatten wir einen fantastischen Platz direkt am Fenster im Heck des Schiffes genau über der Bootsschraube. Hatte zwar zur Folge, dass es dort laut war, aber der Blick aufs nunmehr blaue Meer und den blauen Himmel mit Sonnenschein war es wert.
Die Deckrunde ist auch hier in etwa einen halben Kilometer lang und die bin ich eine Stunde lang gegangen/gejoggt. Deckchairs wurden keine aufgestellt, so dass für die Spaziergänger viel Platz war. Sonst das stets gleiche Programm für uns: etwas Sport, lesen und essen.
Am Abend haben wir mal eine der täglich stattfindenden Shows angeschaut: Musik. Von irisch über Musicals bis zu verjazzten Klassikstücken war alles dabei.
Heute Nacht stellen wir die Uhr um 23 Stunden zurück und erleben morgen den 28. April gleich nochmal, denn wir überfahren die Datumsgrenze. Von West nach Ost bedeutet das, dass man einen Tag doppelt erlebt und von Ost nach West, dass ein Tag gestrichen wird. Auf unserem Flug von USA nach Tahiti ging ein Tag flöten und jetzt bekommen wir den zurück 😊
28. April 2023
4. Seetag
Nein, ich habe mich nicht im Datum verschrieben! Wir haben nachts die Datumsgrenze überschritten und deshalb erleben wir zum zweiten Mal den 28. April 2023. Aber nicht wie in „Und täglich grüßt das Murmeltier“. An drei Tagen hintereinander die Uhr um eine Stunde vorzustellen ist ganz schön hart. Gestern Abend konnte ich lange nicht einschlafen und war so heute Morgen noch sehr müde. Ich bin dennoch um 9 Uhr aufgestanden. Bei Frühstück hatten wir Gesellschaft von einer Mutter mit ihrem Sohn, die in Vancouver leben. Der Sohn ist 53 Jahre alt und sitzt im Rollstuhl. Er wurde mit 19 Jahren von einem Auto erfasst, lag monatelang im Koma und leidet stark unter Spasmen.
Nach dem Frühstück musste ich feststellen, dass ich noch sehr müde war. Deshalb habe ich mich wieder hingelegt. Obwohl der Seegang moderat ist und teilweise die Sonne scheint, war ich heute nur zu wenig zu gebrauchen. Drei Seetage hätten anscheinend zum Entspannen gereicht, mir ist langweilig. Haben auf dem Schiff noch keine anderen Deutschen kennengelernt. Die Aktivitäten und Vorträge sind alle auf Englisch und das ist auf Dauer dann doch anstrengend. Da mein Schwindel noch nicht weg ist, kann ich leider auch nicht so trainieren, wie ich das gerne möchte.
Haben uns Beiträge über die Landgänge, die für Alaska anstehen, angesehen und darauf freue ich mich wirklich sehr.
29. April 2023
5. Seetag
Das tägliche Vorstellen der Uhr um eine Stunde macht mir schwer zu schaffen. Lag die halbe Nacht wach. Tom ging allein zum Frühstück, weil ich dann bis 10 Uhr geschlafen habe. So ging ich dann auch allein zum Essen und hatte nette Gespräche. Das Problem ist nur, dass ich die immer auf Englisch führen muss und das ist einfach ein bisschen anstrengend mit fremden Menschen.
Heute mussten wir uns für die Ausstiegszeit in Kodiak anmelden. Das ist ein kleiner Ort, der nur über den Seeweg zu erreichen ist. Spannend! Obgleich wir es sehr schräg finden, mal Teil der „Meute“ zu sein, die über so eine Stadt herfällt. Es gibt Menschen, die es herrlich finden an so vielen verschiedenen Orten auszusteigen und einen kurzen Besuch zu absolvieren.
Leider war nach meinem verspäteten Frühstück das Deck dann schon wieder gesperrt, so dass ich ins Fitnessstudio gehen musste. Kaffee und Kuchen im Anschluss mit Tom. Wir vermissen die Teestunde, wie sie auf der Queen Mary angeboten wurde.
Dann bin ich beim Lesen wieder eingeschlafen… Hatten heute keine Lust auf das formale Dinner und sind in unseren Jogginghosen zum Büffet gegangen. War eine gute Entscheidung, denn die großen Panoramafenster im 9. Stock haben einen wunderbaren Blick gezeigt auf eine spektakulären Sonnenuntergang. Die Wellen erreichten heute bis zu 6 Meter. In der Küche hat es ein paar Mal kräftig gescheppert, als Bleche oder ähnliches zu Boden gingen. Außerdem gab es heute auch Schneefall und eine Möwe hat das Boot begleitet.
30. April 2023
6. Seetag
Ich habe heute viel besser geschlafen und kann schon um 9.30 Uhr aufstehen. Immerhin haben wir heute Nacht die Uhr zum fünften Mal eine Stunde vorgestellt. Die Aussicht von Deck 9 ist heute Vormittag besonders spektakulär, weil der Wind (fast 75 km/h) die Oberfläche der schon sehr bewegten See auch noch kräuselt. Hatten heute bis zu 6 Meter hohe Wellen. Der Kapitän hat heute in seinem Briefing erklärt, dass die Schiffsstabilisatoren die Krängung des Schiffes von 15 Grad auf 3-5 Grad reduzieren. Dennoch hat eine besonders hohe Welle das Schiff so zur Seite geneigt, dass die Teller von den Tischen gerutscht sind.
Gehen zur Mittagszeit wieder trainieren und ich gehe später auch noch in den Whirlpool. Sauna ist bei dem Wellengang sinnlos, weil sie wegen der ständig aufschwingenden Tür nicht richtig heiß wird. Schaffe es tatsächlich mal nicht tagsüber einzuschlafen!
Am Abend ist wieder ein „Dressy Dinner“. D.h. es gibt etwas erlesenere Gerichte, also schmeißen wir uns wieder in Schale – was unser beschränkte Garderobe halt so hergibt. Dass Justus mir die Stöckelschuhe mitgebracht hat, ist auf alle Fälle nötig gewesen. Den Abend beschließen wir mit einer Runde ums Deck, denn beim Diner haben wir gesehen, dass es offen ist. Und dann schauen wir uns wieder einen Film an. Da es tagsüber ja nicht so spannend ist, ist eine nette Filmgeschichte genau recht.
1. Mai 2023
7. Seetag
Und wieder eine schlechte Nacht: Konnte erst nach 4 Uhr morgens einschlafen. Die gute Nachricht ist, dass wir die Zeitumstellungen erstmal geschafft haben. Lediglich auf der allerletzten Etappe wird die Uhr nochmal um eine Stunde vorgestellt – UFF!!!
Sind beide bis nach 10 Uhr im Bett liegen geblieben. Bis wir dann ins Restaurant kamen, war gerade mal tatsächliche eine Futterpause. Aber Kaffee und Obst gibt’s immer. Und weil wir soviel Zeit am Panoramafenster verbracht haben, wurde auch wir auch mit der Sichtung einer Robbe, die neben dem großen Schiff kurz aufgetaucht ist, belohnt. Und dann ist auch noch ein Frachter an uns vorbeigefahren. Nur von dem Land, den Aleuten, haben wir noch nichts zu Gesicht bekommen. Dazu ist die Sicht wohl zu schlecht. Im Laufe des Tages hat der Seegang nachgelassen und am Abend macht das Schiff schon keine krächzenden Geräusche mehr. Es sollte also endlich mal eine ruhige Nacht werden. Außerdem habe ich mich den ganzen Tag beschäftigt und es so vermieden einzuschlafen, obwohl ich sehr müde war.
Ich konnte zum Glück an Deck gehen. Da bin ich dann mal über 6 Kilometer gegangen. Danach war es gerade 15 Uhr und Teatime. Aber die kann mich der Queen Mary (wen wundert’s) natürlich so gar nicht mithalten. Weder der Tee noch die Sandwiches oder gar die Scones waren gut. Anschließend habe ich mir meine Kamera geholt und draußen und drinnen fotografiert. Dabei habe ich endlich den Raum gefunden, der mir die ganze Zeit gefehlt hat. Ein großer Raum mit Sofas, Sesseln und Arbeitstischen befindet sich über der Brücke ganz im Bug. Zum Glück haben wir noch ein paar Tage auf dem Schiff.
Morgen also der Landgang nach Kodiak!
Darüber hinaus kam am späten Nachmittag noch eine beunruhigende Durchsage des Kapitäns. Es wurde nach jemanden mit der Blutgruppe 0+ gesucht, weil eine Person schwer erkrankt ist und eine Bluttransfusion benötigt. Ein Heli ist nicht gekommen, also hoffe ich, dass sich jemand gemeldet hat und es der erkrankten Person sowie dem Blutspender gut geht. Hier laufen so viele Passagiere rum, die schwer krank aussehen, bzw. nicht mehr bei guter Gesundheit sind. Ich denke ich würde eine Seereise in einem schlechten gesundheitlichen Zustand nicht wagen, zumal bei einer Route, die lange Zeit sehr weit von Land weg verläuft.
2. Mai 2023
Landgang: Alaska – Kodiak
Und wieder eine sehr schlechte Nacht…, aber um 8 Uhr stehen wir zwar schwer und dennoch voller Spannung auf, denn heute geht es von Bord!
Im 9. Stock während des Frühstücks kommen wir schon aus dem Staunen nicht raus. Die erste Überraschung: die Sonne strahlt von einem blauen Himmel mit ein paar wie hingepinselt aussehenden malerischen Wolken und es ist fast windstill. Und die zweite Überraschung ist der Blick über das ruhige Wasser hin zu den schneebedeckten Bergen und der weiten unberührten Landschaft. Aber das gilt natürlich nur für die Backbordseite des Schiffes. An Steuerbord schauen wir auf den Hafen und einen Grashügel mit Windrädern obendrauf.
Da wir heute zum ersten Mal die USA betreten, müssen wir, ehe wir das Schiff verlassen dürfen, durch die Immigration. Dafür haben wir vor ein paar Tagen morgens Nummern gezogen und wir haben eine Uhrzeit für das Prozedere zugeteilt bekommen: 9:30 Uhr. Bis unsere Nummer an der Reihe ist, hat sich alles schon um eine halbe Stunde verschoben. Zum Glück sind Tom und ich schon mal soweit wie möglich rangegangen, ehe unser Nummer aufgerufen wurde, so waren wir in unserer Gruppe bei den Ersten dabei. Wir mussten dann im Veranstaltungssaal nochmal Platz nehmen. Auf der Bühne lief ein netter Film über Tiere rund um den Globus. Vier Beamte waren von der kleinen Gemeinde abgestellt unsere Pässe und Unterlagen zu prüfen. Wir waren zum Glück um 10:30 Uhr durch und konnten das Schiff verlassen. Andere in unserer Gruppe haben wohl bis mittags gewartet.
So ein Glücksgefühl nach sieben Tagen auf See das Schiff zu verlassen und festen Boden zu betreten. Auch wenn dieser feste Boden die meiste Zeit zu schwanken scheint. Vom Schiff aus ist es eine Meile zu Fuß in die Stadt. Alle, die diese Strecke gehen können, werden angehalten das auch zu tun, denn die von der Stadt abgestellten Schulbusse für die „Lahmen“ haben nicht die Kapazität für alle. Ich wäre zwar gerne mal in einem original amerikanischen Schulbus gefahren, aber endlich mal wieder an Land zu gehen, ist besser.
Der Hafen ist für diesen kleinen weit im Westen von Alaska liegendem Ort sehr groß. Das meiste sind Fischerboote. Der Ort ist größer und moderner, als ich mir einen so am Ende der Welt befindlichen Ort, der so weit im Norden liegt, vorgestellt hätte. Dass hier v.a. große Pick-ups rumfahren, ist bestimmt berechtigt, dass die aber lauter röhren, als so mancher Truck, ist bestimmt nicht berechtigt. Entspricht aber dem Klischee des Typ Manns, das ich von Alaska habe.
Wir kommen an einer orthodoxen Kirche vorbei. Ende des 18. Jh. kamen Felljäger aus Russland nach Alaska und die Ureinwohner, die Indigenen, waren so verärgert darüber, dass sie von ihrem Glauben abfielen und so offen waren für eine neue Religion. Die orthodoxe und auch die katholische Kirche boten ihnen die Spiritualität, die sie gewohnt waren. Und so findet man noch heute in Alaska viele orthodoxe Kirchen.
Eine Brücke führt auf eine Insel (Near Island) und dort gibt es ein paar kleine Wanderrouten. Es tut gut, durch die dicht mit Moos behangenen Wälder zu wandern. Allerdings ist der schwankende Boden und dazu noch mein Schwindel und der mangelnde Schlaf keine gute Voraussetzung für ausgedehnte Wanderungen. Ich hätte mir einen Ort in Alaska viel ruhiger vorgestellt, aber tatsächlich hört man auch auf der kleinen Insel noch die großen Fischerboote und die Maschinen im Hafen.
Zurück im Ort suchen wir einen Platz, wo wir WIFI haben. Das ist auf dem Vorplatz von Mc Donalds der Fall. Der Laden hat zwar nicht offen, weil ihnen Personal fehlt, aber wir können auf dem Vorplatz ins Free-WIFI rein. Nur mal kurz die Nachrichten checken und in die Globes-Gruppe (so nennen wir die Gruppe von uns und Felix, Justus und Anna) ein Bild stellen. Nichts wichtiges passiert in den letzten sieben Tagen 😊 Meine amerikanische Sim-Karte kann ich leider online nicht aufladen und in einem Handyshop erfahre ich, dass Telekom in Alaska eh nicht gut funktioniert und ich deshalb wohl erst in Seattle meine Karte wieder aktivieren kann.
Es macht so viel Spaß bei dem fantastischen Licht zu fotografieren! Leider ist der Ortskern jedoch drei Meilen vom Hafen entfernt. Hätte mich schon interessiert, wie die Innenstadt so eines Alaskastädtchens aussieht. Stattdessen schauen wir uns im kleinen Restaurant- und Shopping-Karree im Hafen um, kaufen aber nichts und kehren auch nicht ein.
Auf dem Weg zurück zum Schiff bläst uns dann ein eisiger Wind entgegen und wir schauen noch kurz in einen Outdoorladen rein. Und zurück auf dem Schiff gehen wir was essen. Ich begebe mich dann auf das 10. Deck in einen der Sessel direkt am Bug, um mir in Ruhe und Wärme die Ausfahrt aus dem Hafen anzusehen. Einmal gehe ich kurz für ein paar Fotos in Freie und wäre beinahe davongeweht worden. War richtig schwer die Kamera für einen Klick ruhig zu halten. Dann habe ich noch einen netten Plausch mit den Australiern aus Perth neben mir.
Der Kapitän macht noch eine Durchsage, dass der Patient gestern dank der Hilfe von einigen geeigneten Blutspendern stabilisiert werden konnte und am Morgen ins Krankenhaus gebracht wurde.
Zum Abendessen gehen wir wieder ins Diner, denn das Essen dort schmeckt wesentlich besser als am Büffet. Um 22 Uhr liegen wir im Bett und hoffen auf einen erholsamen Schlaf.
3. Mai 2023
8. Seetag
Ein Blick auf die Uhr meines Laptops zeigt mir den Tag und die Uhrzeit, die wir ohne Zeitumstellung und Überqueren der Datumsgrenze jetzt hätten, denn an diesem Gerät ist die Zeit einfach weitergelaufen ohne manuelle Umstellung und automatisch eben auch nicht, weil ich ja kein WLAN habe. Also das Laptop zeigt den 4. Mai, 5 Uhr morgens an. Meine aktualisierte Uhr jedoch zeigt den 3. Mai, 12 Uhr mittags an. Exakt die 7 Stunden, die wir die Uhr zurückgestellt haben und den einen gewonnen Tag 😊
Haben endlich mal gut geschlafen! Ich halte mich den Tag über dann sehr beschäftigt, um am Abend hoffentlich in einen normalen Schlafrhythmus zu kommen. Dieses Problem haben viele hier auf dem Schiff. Heute Abend saß ich neben dem Strick-Klub und die Damen haben sich gegenseitig ihr Leid geklagt über ihre Schlafprobleme. Und ja, es gibt eine ca. 10-köpfige Gruppe von Damen, die gemeinsam stricken. An einer Kabinentür neben uns sind ganz viele Zettelchen angeklebt und darunter auch einer mit „Japanese Knitting Club“.
Nach dem Frühstück bei sehr ruhiger See, bin ich hoch in die Explorer Lounge, um am Laptop zu arbeiten. Um 13 Uhr fand da dann ein Origami-Kurs statt und ich musste den Tisch mit der Steckdose daneben leider räumen. Mein Laptop hat irgendeinen Wackler und fährt ohne Strom willkürlich runter oder macht komische Geräusche. Dann habe ich noch trainiert, bin fünf Kilometer an Deck gegangen und am frühen Abend habe ich mich dann nochmal ans Laptop gesetzt. Jetzt ist endlich Ordnung in den Bildern. Das Abendessen habe ich heute für mich gestrichen, denn am Nachmittag hatten wir sehr leckere Burger und Pommes und ein Eis hinterher, so dass ich mich um 19 Uhr immer noch voll fühle.
An Deck war heute nicht viel los. Aber ein Fotograf mit einem riesigen Tele stand rum. Ja, es gibt ab und zu das Blasen eines Wahls zu sehen oder eine Robbe, die kurz auftaucht. Aber bis der sein Tele ausgerichtet hat, ist das Tier doch schon wieder abgetaucht.
4. Mai 2023
Landgang: Alaska – Sitka
Ich muss meinen letzten Satz gestern berichtigen. Heute während der Ausfahrt vom Hafen in Sitka gab es einige Wale in der Nähe des Schiffes und ich konnte tatsächlich ein paar Bilder schießen. Mit dem riesigen Tele des gestern erwähnten Herrn wären richtig gute Fotos dabei rausgekommen, weil der Wal doch einige Zeit an der Oberfläche war.
Aber von vorne. Das mit dem Schlafrhythmus hat nicht funktioniert, aber es war nicht ganz so schlimm, wie vor ein paar Tagen. Um 7 Uhr konnten wir dann endgültig nicht mehr schlafen und sind zum Frühstücken gegangen. Wieder eine grandiose Aussicht auf die Weite der Landschaft Alaskas. Gerade als wir anfingen die Aussicht zu genießen hat ein weiteres einfahrendes Kreuzfahrtschiff diese zeitweise und teilweise versperrt. Ein nettes Paar aus Colorado Springs hat sich zu uns an den Tisch gesellt, die uns gleich ihre Visitenkarte gegeben haben. Die Karte ziert eine US-amerikanische Flagge. Der Patriotismus der Amerikaner ist unglaublich. Ich würde gerne mal mit einem Amerikanistiker darüber reden, was die Ursache dafür sein könnte. Ist es die positiver Art zu denken? Ist es der Bürgerkrieg, der zur Unabhängigkeitserklärung geführt hat und so besonders ist? Oder kam das erst mit der Dominanz nach dem gewonnen Weltkrieg? Jedenfalls fällt uns kein Land ein, in dem vor fast jedem Haus die Staatsfahne hängt.
Der Hafen von Sitka ist fünf Meilen außerhalb der Stadt, so dass wir einen Shuttlebus nehmen mussten. Vom Informationszentrum aus haben wir direkt einen örtlichen Kleinbus bestiegen, der uns zum Fortress of the Bear, einer Rettungsstation für verwaiste Bären. Es leben dort drei Schwarzbären und fünf Braunbären. Grizzlys gibt es in der Gegend nicht, aber die Braunbären hier sind sogar noch größer als die Grizzlys, weil sie hier an der Küste viel Fisch zu fressen haben. Die Bären bleiben ihr Leben lang in der Station, denn sie dürfen nicht ausgewildert werden, weil es zu viele Bären in Alaska gibt. Für uns eine einfache Gelegenheit diese schönen Tier in ihrer natürlichen Umgebung zu beobachten und die vielen Helfer dort zu ihren Gewohnheiten zu befragen.
Die Fahrt mit dem Bus der Blue Line war auch eine Nummer für sich. Der Fahrer ist ein ehemaliger Soldat, der nach seiner Armeelaufbahn nach Alaska gezogen ist und es anscheinend liebt Geschichten zu erzählen. Schon beim Einstieg war alles so herrlich unkonventionell und old fashioned. Den Fahrtpreis von zwei Dollar warf man in eine gläserne Box. Wer über 60 Jahre ist kann für drei Dollar einen Daypass bekommen. Die Kreuzfahrer waren dann plötzlich alle 60 Jahre alt, obwohl mindestens einer von denen definitiv weit unter 30 war. Aber das hat der Busfahrer nicht so genau genommen. Er hat seelenruhig auf kleine Zettel den Daypass per Hand ausgestellt. Also hat die ganze Prozedur des Einstiegs schon mal fast zehn Minuten für die 20 Personen gedauert. Und dann hat er gleich eine Rolle als Tourguide gespielt und während der halbstündigen Fahrt Geschichten über den Ort und über sein Leben erzählt. Dass er Afroamerikaner ist, hat dem ganzen noch eine weitere komische Note hier oben in Alaska gegeben.
Auf der Rückfahrt sind wir ein bisschen vor dem Ort ausgestiegen und haben einen kleinen Walk entlang eines Flusses gemacht. Die Wälder Alaskas werden für uns nun als Wälder mit Bäumen, die mit langen Moosfasern bedeckt sind, in Erinnerung bleiben. Ein wahrer Elfenwald!
An der Mündung des Flusses ins Meer ist der Blight State Park. Hier stehen ganz viele Repliken von Totempfähle. Die Originale kann man in Museen sehen, aber die sind meist schon von Wind und Wetter und Getier gezeichnet. Die Repliken hingegen zeigen sich in bunten Farben und markanten Figuren, die wunderschön zwischen den Bäumen, auf Lichtungen oder am Strand platziert sind. In einem angrenzenden Museum kann man sich weiter darüber informieren – kostenlos. Aber dafür bleibt uns heute leider keine Zeit. Als Kreuzfahrer ist man in einem so geschichtsträchtigen Ort wie Sitka viel zu beschäftigt.
Denn Sitka ist die erste Hauptstadt Alaskas und die Stadt, in der die Russen dieses Landstück 1867 den Amerikanern übergeben haben. Für ein Appel und ein Ei haben sie Alaska an die USA verhökert und beißen sich wohl heute dafür in den Allerwertesten. Die Übergabe hat auf dem Castlehill stattgefunden. Früher stand dort eine Burg, heute ist nur noch ein Hügel mit Kanonen übrig. 1799 trafen die Russen hier ein und dank des sehr einträglichen Pelzhandels entstand rasch eine reiche Oberschicht. Ein Opernhaus und edle Salons verpassten der Stadt den Ruf als „Paris des Pazifiks“. Mit der Übergabe an die Amerikaner begann der Abstieg der Stadt. Die Otter- (Fell) und Walbestände waren stark dezimiert, Juneau wurde 1904 die neue Hauptstadt Alaskas.
Aber Sitka hat noch ein Must-See: das Sheldon-Jackson-Museum. Ein Dr. Sheldon hat sich Ende des 19. Jh. intensivst mit der Kultur der First Nations oder wie sie hier in Alaska auch genannt werden der First Peoples beschäftigt und sehr viele Kultgegenstände gesammelt. Er hat seine Exponate alle in einem Museum zusammengeführt und so eine der umfangreichsten Sammlungen überhaupt geschaffen. Interessant ist, dass die Technik der Korbflechterei, die so ausgefeilt war, dass die Körbe sogar zum Transport von Wasser geeignet war. Oder die Technik des Heringfangs, bei der ein Schwarm zusammengetrieben wurde und dann mit einer Art Rechen die Fische zu Dutzenden aus dem Wasser gefischt werden konnten. Die Vorräte wurden nicht in Höhlen aufbewahrt, sondern in Hütten auf Pfählen, was bei den Witterungsverhältnissen wohl nötig war. Die verschiedenen Kleidungsstücke sind ebenso sehenswert. Rituelle Gewänder zeigen aufwändige Stickereien und sind sehr farbenfroh. Dann gibt es auch Schutzkleidung, wie etwa eine Art Wetsuit, der im Winter auf Wasser vor dem kalten Meer schützte. Schaut fast aus wie ein Taucheranzug. Die Ureinwohner Alaskas lebten in Langhäusern. Ein ganzer Clan mit ca. 60 Personen hat sich den großen Raum geteilt. Gebaut wurden die Langhäuser rituell und ganz wichtig von einem anderen Clan, um so eine weitere Ebene der Spiritualität und Verbundenheit dazuzugewinnen. Das Museum ist überdies in einem schönen achteckigem Haus untergebracht. Es war das erste steinerne Haus in Alaska.
Allerdings stehen noch heute in Sitka v.a. Häuser aus Holz. Wir haben sogar sehr viele sehr einfache Häuser mit Fenstern, die wohl nur Einfachverglasung haben, gesehen. Und das bei den Temperaturen hier im Winter!
Der Stadtkern von Sitka ist recht malerisch mit vielen hübschen Geschäften. Uns hat die Stadt sehr gut gefallen. Leider werden wir wohl nie wieder hierherkommen, denn Sitka ist nur vom Meer aus zu erreichen oder mit einem der Kleinflugzeuge.
Eine Kuriosität habe ich noch: Auf einer vorgelagerten Insel gibt es den Vulkan Mount Edgecumbe, der in seiner Form dem Fujijama erinnert, den wir in Japan ja nicht zu Gesicht bekommen haben. Der Mount Edgcumbe hingegen hat sich uns prächtig präsentiert.Der ist vor 4.000 Jahren ausgebrochen. 1974 versetzte eine schwarze Rauchsäule aus dem Krater die Einwohner in Angst und Schrecken. Ein stadtbekannter Spaßvogel hatte sich die Arbeit gemacht rund 100 alte Autoreifen in den Krater zu werfen und am frühen Morgen des 1. April diese mit Benzin übergossen und angezündet. Was für ein Aprilscherz!
6. Mai 2023
Landgang: Alaska – Ketchikan
1880 kamen die ersten Geschäftsleute hier an und es entstanden Fabriken für Lachskonserven und Sägewerke. Die Stadt hat dann einen raschen Aufstieg vollzogen. Bis in die 1930er-Jahre war es die bevölkerungsreichste Stadt Alaskas. Sie konnte 1923 die erste asphaltierte Straße Alaskas aufweisen und sogar eine Hundehalteverordnung. Heute jedoch ist das Städtchen mit 8.200 Einwohnern nicht einmal mehr unter den Top 10 Alaskas. Der wirtschaftliche Aufschwung kam in den 1950ern zum Erliegen und heute konzentriert sich die Stadt ganz auf den Tourismus.
Während des Frühstücks ist unser Schiff noch damit beschäftigt zwischen den Inseln hin durchzumanövrieren. Ketchikan ist nur über den Luft- oder Seeweg zu erreichen. Der Flughafen liegt auf einer vorgelagerten Insel und der Ort selbst hat mittlerweile Anlegemöglichkeit für vier Kreuzfahrtschiffe. Jedenfalls lagen vier von den Riesen vor Anker, als auch wir hier waren. Direkt am Hafen ist deshalb sehr regen Treiben und die Kreuzfahrer landen erstmal im Shoppingparadies… abschreckend! Hat man diese Gegend überwunden, dann wird es hübsch. Da ist v.a. die Creek Street. Die ist nur 300 Meter lang und auf Pfosten über einem kleinen Fluss erbaut. Nicht nur die Häuser, sondern auch der Weg entlang der alten Holzhauser ist auf Pfählen errichtet. Einst befand sich hier das Rotlichtviertel der Stadt und das Haus einer dieser Damen namens Dolly ist heute ein Museum. Der Steg führt dann direkt weiter zur Lachsleiter. Denn im Herbst kommen die Lachs hier durch. Unglaublich welche Stromschnellen diese Fische überwinden können.
Gleich dahinter sind wir in die Gegend gekommen, wo tatsächlich Menschen wohnen. Haben wir in Sitka ein paar in unseren Augen ärmlichere Häuser gesehen, so sehen wir hier Häuser, die im Vergleich dazu, wie heruntergekommene Hütten aussehen. Aber diese halb verfallenen Hütten sind bewohnt, tatsächlich. Das ist wohl die andere Seite Alaskas und der Grund, warum der Staat angeblich Menschen, die nach Alaska ziehen Geld zahlt. Leider konnten wir keinen Wanderweg finden, aber das Streunern in die verschiedenen Ecken von Ketchikan war durchaus spannend. Es gibt dann noch die New Town, wo sich ein großer Supermarkt befindet.
Das Wetter war heute typisch Alaska-like: bewölkt und regnerisch. Aber für die Einwohner bedeutet es wohl, dass schon fast Sommer ist, denn der Schnee ist geschmolzen die Natur erwacht und so einige tragen deshalb Flipflops und kurze Hosen. Die Pflanzenwelt scheint mit dem Schmelzen des Schnees zu explodieren. Neben der Forsythie, die bei uns Anfang März blüht, blühen hier auch schon die Tulpen, die bei uns mindestens einen Monat später kommen.
Neben Shopping können die Kreuzfahrer noch zahlreiche andere Aktivitäten buchen, wie eine Holzfällershow oder Krebs-Essen etc. Die Preise sind durchwegs höher als in den beiden Orten, die wir zuvor besucht haben. Ein Tipp für alle die wie wir mit einem Kreuzfahrtschiff dort anlanden: Geht erst ab 15 Uhr in die Stadt! Wir hätten unser Schiff auch erst um 17 Uhr wieder besteigen müssen. Bereits ab 14 Uhr leert sich die Stadt merklich, denn dann ist Lunchtime an Bord 😉
Tom und ich haben heute lange über das Trinkgeld diskutiert. Wir haben einen Brief erhalten, indem erklärt wird, dass man an der Rezeption die Höhe des Trinkgelds angeben soll. Üblich wären 30 Doller pro Person pro Tag. Das wären für uns beide ca. 800 Doller insgesamt. Auf der Queen Mary wurde uns nur mitgeteilt, das wir bereits 75 Euro pro Person gezahlt haben und das an die Crew als Trinkgeld geht. Wir sind nicht auf die Idee gekommen, dass das viel zu wenig sein könnte. Aber dort wurden auch keine „Vorschläge“ zur Höhe des Trinkgelds gemacht. Diese sehr amerikanische Art die Höhe des Trinkgelds praktisch vorzuschreiben, finden wir sehr befremdlich. Und nach unseren Erfahrungen in Neuseeland und Australien, wo Trinkgeld nicht üblich ist, sondern stattdessen die Leute anständig und verlässlich bezahlt werden, stehen wir dem Trinkgeld noch kritischer gegenüber. Wir finden es wesentlich besser, wenn egal in welcher Profession, ein verlässliches und angemessenes Gehalt gezahlt wird!!! Das macht ein viel angenehmeres Gefühl für alle Beteiligten und es ist ein absoluter Irrglaube, dass die Beschäftigten ohne die Aussicht auf Trinkgeld nicht so freundlich und zuvorkommend wären.
Und wenn wir schon bei den Verbesserungen sind, die wir aus der Welt gerne nach Hause bringen würden:
- Trinkwasserspender sollten in ausreichender Zahl kostenlos zur Verfügung stehen.
- Toiletten sollten kostenlos sein und in der Stadt, auf dem Land und auch in der Natur vorhanden sein.
- Und der Vollständigkeit halber: keine Bezahlung per Trinkgeld!
- Eine Kleinigkeit noch: das Bezahlen öffentlicher Transportmittel via Tappen mit der Kreditkarte ist sehr simpel und hilfreich.
Wir haben uns jedenfalls gegen ein weiters Trinkgeld, das über die bereits gezahlten 150 Doller entschieden. Erstens weil wir auf der Queen Mary das auch nicht gemacht haben. Zweitens weil wir sehr wenig Service in Anspruch genommen haben. Und Drittens aus den oben genannten Gründen. Es tut mir leid für die vielen freundlichen Angestellten an Bord, aber einen solch hohen Betrag gibt unser Budget nicht her und wenn wir einen geringeren Betrag angeben würden, wäre eher beschämend und auch ungerecht gegenüber den Angestellten der Queen Mary.
6. Mai 2023
9. und letzter Seetag
Unseren letzten Tag auf See und an Bord der Westerdam begehen wir noch einmal nach dem bekannten Muster: essen, trainieren, lesen 😊
Am Morgen schauen wir uns noch ein bisschen die Übertragung auf BBC von der Krönung Charles III an. Die Krönung selbst ist da natürlich schon vorbei, denn wir sind ja neun Stunden hinter der britischen Zeit. Und ehe ich es vergesse, bevor ich demnächst wieder mit dem Laptop online gehe: Laptop zeigt 7. Mai 13.40 Uhr an, meine Uhr aber 6. Mai 21.40 Uhr.
Während ich im 10. Deck die Bilder sortiert habe und Tagebuch geschrieben, ist ein Wal seitlich von uns gewesen. Sonst haben wir aber nur eine Robbe und viele Vögel gesehen. Dafür jedoch jede Menge Schiffsverkehr, denn wir befinden uns nun auf dem Highway für die Kreuzfahrschiffe und Fracht- sowie Fischfangschiffe kommen auch noch dazu. Fahren den ganzen Tag an Vancouver Island vorbei.
Nach dem letzten Diner im Dining Room und einem Kaffee/Tee auf Deck 9 geht es dann ans Packen und damit sind wir gefühlt schon fast ausgecheckt. Aber immerhin konnte ich noch einen Walk an der frischen Luft machen und habe dabei sogar ein bisschen Sonne abbekommen. Obwohl heute die See wirklich ruhig ist und sonniges Wetter herrscht, wenig Wind und die Temperatur über 15 Grad, ist nicht viel los auf Deck.
Tom und ich haben heute so überlegt, dass für Senioren ein Leben auf einem Kreuzfahrtschiff eigentlich billiger ist als in einem Seniorenheim. Vollverpflegung, sehr freundliches Personal, zwei Mal am Tag Room Service, jede Menge Unterhaltung, Sportprogramme, viele Gleichgesinnte, um Freundschaften zu schließen. Nur krank sollte man besser nicht werden, auch wenn ein Arzt oder eine Ärztin für die Erstversorgung an Bord ist. Gefährlich kann natürlich das Überangebot an Essen sein und der Mangel an frischer Luft und Sonne. 😉
Wir freuen uns nun auf die letzte Etappe unserer langen Reise und auch darauf wieder eigenständig unterwegs zu sein. V.a. auf das Fahren mit einem Mietauto, denn das Reisen mit Öffis ist doch recht beschwerlich. Und die Ansammlung von Senioren werden wir wohl auch nicht vermissen.